Riotous Gardens. Gegenbewegungen und Verflechtungen
Lilian Haberer, Anna Bromley
Theorieseminar
Heumarkt 14, R.1.06 (Seminarraum 1)
Der Garten mit seinen historisch gewachsenen, soziokulturellen wie stadtplanerischen Verflechtungen tritt in der Geschichte urbaner und künstlerischer Bewegungen von unten als unabhängiger, nachbarschaftlich organisierter, widerständiger und so Multituden bildender, politischer Ort der Sorge, Selbstversorgung und Nachhaltigkeit in Erscheinung. Aktuelle Ausstellungskataloge zeigen, dass Gemeinschaftsgärten, Permakultur und Guerilla Gardening nun in Museen angekommen sind. Diesen Trend befragt das Seminar, indem es auf Politiken öffentlicher Gärten fokussiert – als Raumprozesse, die sich natürlich auch aus Geschichten von unten speisen. So schiebt die Mutter der Autorin in einem Zadie-Smith-Essay als einzige Schwarze Frau den Kinderwagen durch Hampstead Heath und unbekümmert ruhen die Bankschläfer*innen um 1985 in Mahmoud Dabdoubs Fotografien von Leipziger Grünflächen. Die „Seed bomb“-Bewegung leistete mit The Green Guerrillas in den 1970er-Jahren in der Bowery, New York und anderen Community Gardening- Bewegungen aktiv Widerstand gegen die Depopularisierung, von Segregation und Marginalisierung bestimmter Viertel betroffene Stadtplanung und erwirkte den Aufbau kleiner selbstbestimmter, disruptiver Biotope, geteilter Care-Arbeit und Wiederaufforstung im urbanen Kontext. Im Zuge von Occupy Gezi und 100% Tempelhofer Feld wurden öffentliche Parks durch Nachbar*innenschafts-Proteste erhalten. Was bedeuten öffentliche Gärten in solchen planetaren Verflechtungen? Welche widerspenstigen Figuren macht die künstlerisch-kuratorische Beschäftigung mit Praxen des improvisierenden Gärtnerns sichtbar? Das Seminar ermöglicht Euch, die visuellen und Text-Lektüren mit Euren eigenen künstlerischen Projekten zu verbinden und in assoziativen Übungen zu vertiefen. Viele Arbeitsschritte sind in Kleingruppen organisiert, an denen Ihr Euch selbstverantwortlich beteiligt. Als Grundlage dient ein Reader, der gedruckt und als PDF bereitgestellt wird. Lektüren: Mahmoud Dabdoub, Alltag in der DDR. Fotos aus den 1980er Jahren, Leipzig 2024. Kaya Genç, Under the Shadow: Rage and Revolution in Modern Turkey, London 2015. Stuart Hall, Essential Essays Vol. 2, ed. by David Morley, Durham/ London, 2019. Olivia Laing, The Garden Against Time, London 2024. Sofia Lemos (Hg.), Meandering. Art, Ecology, and Metaphysics, TBA 21, London 2024. Uriel Orlow, Soil Affinities, Paris, 2019. Alona Pardo, Re/Sisters: A Lense on Gender and Ecology, Ausst.-Kat. Barbican Centre, London 2023. Claire Pentecost, Notizen aus dem Untergrund, Berlin 2012. Elske Rosenfeld, Kerstin Meyer, Joerg Franzbecker, Zur Verfassung, Recherchen, Dokumente 1989-2017, Berlin 2017. Zadie Smith, Feel Free, London 2019. Robert Wiesenberger (Hg.), Humane Ecology. Eight Positions, Clark Art Institute, Williamstown, Massachusetts, 2023. Sylvia Wynter, On Being Human as Practice, Durham/London, 2015. Daniela Zyman, Das Lachen der Quallen. Zur künstlerischen Gegenforschung jenseits des Menschen, Wien 2024. Besprochene Aussstellungen: Knowledge is a Garden, Migros Museum, Zürich, 2024/25. Rebel Garden, Groeningemuseum, Gruuthusemuseum & St John's Hospital Museum, Brügge 2024. The One-Straw Revolution, curated by iLiana Fokianaki, Framer Framed, Amsterdam 2024. Being as Communion, 8th Thessaloniki Biennial of Contemporary Art, curated by Maria-Thalia Carras, Thessaloniki 2023. Where is the Planetary? HKW, Berlin: 2023. The Planetary Garden: Cultivating Coexistence: Manifesta 12, (Creative Mediators: Bregtje van der Haak, Andrés Jaque, Ippolito Pestellini Laparelli, Mirjam Varadinis), Palermo 2018. 77#13: Politische Kunst im Widerstand in der Türkei, nGbK, Berlin 2015.