Lange bevor Menschen die Bühne der Welt betraten, sangen und tanzten bereits andere Tiere, bauten Architekturen, trauerten um ihre Toten und zogen ihre Jungen groß. Klimakrise und Artenstreben haben uns gezeigt, wie eng unsere Kulturen und Politiken miteinander verflochten sind, und dass die westliche Erzählung von der Einzigartigkeit und Überlegenheit der menschlichen Spezies zu einer Welt gehören, die hinter uns liegt.
Im Lehrgebiet Multispecies Storytelling gehen wir der Frage nach, wie wir Geschichten auf eine Weise erzählen können, die Menschen nicht länger in den Mittelpunkt stellt. Das erfordert, um es mit der Philosophin Vinciane Despret zu sagen, Curious Practice – die Bereitschaft „(…) sich auf die Vielschichtigkeit dessen einzulassen, was für diese Wesen [more-than-human-others], die es zu erforschen gilt, von Bedeutung ist und dem sie umgekehrt zu Bedeutung verhelfen“.
Das Multispecies Studio an der KHM dient uns als ein gemeinsamer Raum, in dem wir über Ideen sprechen und Projekte entwickeln, welche die Perspektiven von nicht-menschlichen Tieren, Pflanzen, Pilzen, Bakterien oder KIs mitdenken und miteinbeziehen.
Wir suchen nach neuen experimentellen Formen der Kommunikation mit den Mitbewohner*innen des Planeten, nach Technologien, künstlerischen Praktiken und Ausstellungsformaten, die unsere Fähigkeit, uns aufeinander einzulassen, erweitern. Die Auseinandersetzung mit den Diskursen der transdisziplinären Critical Animal Studies, sind dabei immer wieder Teil unserer künstlerischen Forschung.
Nature is a reoccurring topic throughout a large variety of games, ranging from triple A-titles that displays beauty and awe with slick framerates, to the more experimental play experiences in indie gaming. In this seminar, we will look at flora and fauna as a phenomenon in video games. As a starting point, we will draw on the representation of different aspects of nature within game worlds: From the creation of photorealistic forest environments, over the staging of catastrophes and the forces of nature as design elements, to the representation of individual plants and animals and their roles as the representatives of livelihood in an artificial landscape.
Following north American philosopher Ian Bogost, play can be rendered as a general access to the world we live in – with a magic circle that has become brittle and a perpetual renegotiation of the rules for our game. We will try to understand play not as something that is detached from the world, but rather as something that takes in an active perspective in the eye of climate change, the mass extinction of animals or the individual losses of a dearly loved tree. In this grim reality we will use play as modus to bare our coming loss and to survive on our damaged planet
Throughout the seminar we hopefully find answers collectively to challenging questions: How can we as artists use the language of games as a specific form of protest and activism? How can we stage media in a playful fashion that will counter-narrate the green-washed stories of filthy cooperate identities? How can we display not only the beauty of nature but also its wonderful messiness? And maybe more zoomed-in: What is it like to be a dying forest dried out by the players of global fossil fuels?
Literature list:
Bogost, Ian. 2007. Persuasive Games: The Expressive Power of Videogames. The MIT Press Ser. Cambridge: MIT Press.
Chang, Alenda Y. 2020. Playing nature. Ecology in video games. Electronic mediations 58. Minneapolis: University of Minnesota Press.
Gray, Kishonna L. und David J. Leonard, Hrsg. 2018. Woke Gaming: Digital Challenges to Oppression and Social Injustice. Seattle: University of Washington Press.
Head, Lesley. 2016. Hope and Grief in the Anthropocene: Re-Conceptualising Human-Nature Relations. Routledge research in the Anthropocene. London, New York: Routledge.
“When they entered the tank room, the chamber at the heart of the Darwin Centre, he would give the visitors a moment without prattle. The big room was walled with more shelves. There were hundreds more bottles, from those chest-high down to those the size of a glass of water. All of them contained lugubrious animal faces. It was a Linnaean décor; species clined into each other. There were steel bins, pulleys that hung like vines. No one would notice. Everyone would be staring at the great tank in the centre of the room.“ (China Meville, Kraken, S.7)
Im 19. Jahrhundert kommt es weltweit zu der Gründung naturhistorischer Museen, die unter ihrem Dach oftmals individuelle Sammlungen von Abenteurer*innen, Forscher*nnen und Naturhobbyist*innen systematisieren und einhegen. Spezies werden ausgewählt, gesammelt, kategorisiert, konserviert und ausgestellt. Der amerikanischen Soziologin Susan Leigh Star folgend, waren „(…) die bedeutenden konservierten Objekte ökologische Fakten, nicht bloß Exemplare, die dazu dienten, die Öffentlichkeit über eine verschwindende Wildnis zu unterrichten.“
Diesem Erhalt von Wissen und ökologischen Fakten durch das Sammeln, Töten und Konservieren von Spezies setzen wir innerhalb des Seminars eine kritische Perspektive entgegen. Wir hinterfragen die institutionelle Ordnungsinstanz des naturkundlichen Museums und suchen nach den individuellen Narrationen und Verflechtungen, die an den Ausstellungsobjekten haften. Wir nehmen Bezug auf die dynamische Inszenierung toter Tiere, ihre Herkunft und die damit verbundene koloniale Vergangenheit: Welche individuellen Geschichten verstecken sich hinter den einzelnen Präparaten? Wo kommen sie her und wer hat sie gesammelt? Und vielleicht entscheidend: Wie können wir als Künstler*innen mit der ausgestellten Gewalthaftigkeit solcher Sammlungen arbeiten?
Exkursionen:
Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig, Bonn
Literatur:
– Giovanni Aloi, Speculative Taxidermy, 2018.
– Charles Darwin, The Voyage of the Beagle, 1839.
– Jane C. Desmond, Displaying Death and Animating Life, Human- Animal Relations in Art, Science, and Everyday Life, 2016.
– Stephanie Rutherford, Governing the Wild
– Ecotours of power, 2011.
– Susan Leigh Star: Grenzobjekte und Medienforschung, 2017.
– Jennifer Wolch & Jody Emel, Animal Geographies, Place, Politics, and Identity in Nature-Culture Borderlands, 1998.
Viele aktuelle künstlerische Erzählungen über die Welt greifen auf ethnographische Methoden zurück. Es ist nicht verwunderlich, dass nicht nur Künstler*innen zu Ethnografinnen, sondern auch Ethnograf*innen zu Künstler*innen werden. Im Begriff der künstlerischen Forschung bewegen sich beide Felder aufeinander zu und fusionieren in der Gemeinsamkeit der korrespondierenden Praktiken: Beide schreiben, zeichnen, fotografieren, filmen, werden Teil von Gemeinschaften, befragen Andere und denken über sich Selbst und ihre Beziehungen zur Welt nach.
Was genau macht die ethnologische Art, auf die Welt zu blicken, aus? Was sind die Schwierigkeiten und Herausforderungen ethnografischer Praxen heute? Wie politisch sind sie und welche Bedeutung haben sie für die von ihnen untersuchten Gesellschaften und Individuen? Um das herauszufinden wollen wir uns genauer mit den Methoden von Ethnograph*innen auseinandersetzen – von der teilnehmenden Beobachtung, über das ethnographische Interview, hin zu Methoden der Selbstreflexion in der Autoethnographie. Besonders interessant können hier neuere Forschungsfelder wie bspw. die Digital Ethnography (oder Cyberanthropologie), oder die Multispecies-Ethnographies sein. Erstere versteht den Cyberspace als Raum sozialer Gemeinschaft; Zweitere nutzt den ethnologischen Methodenapparat, um das Zusammenleben menschlicher und nichtmenschlicher Kulturen zu beforschen.
Ausgehend von eigenen Forschungsinteressen wollen wir ethnografische Methoden in der künstlerischen Praxis erproben. Parallel dazu sprechen wir über Arbeiten von Künstler*innen wie z.B. Ulrike Ottinger, Renzo Martens, Snæbjörnsdóttir/Wilson, Angela Washko oder Karen Bolender-Hart, die sich in diesen Feldern bewegen.
Die Studierenden sind eingeladen eigene Forschungsansätze und Projekte zu entwickeln und im Kolloquium vorzustellen. Für 2021 ist eine Ausstellung mit Arbeiten der Studierenden und anderen Künstler*innen geplant.
Gäste im Seminar:
nn
Literatur:
Tom Boellstorff et al.: Ethnography and Virtual Worlds, 2012.
Stacy Holman Jones/Carolyn Ellis/Tony E. Adams: Autoethnography, 2016.
Eben Kirksey: The Multispecies Salon, 2014.
Alexander Knorr: Cyberanthropology, 2011.
Claude Lévi-Strauss: Traurige Tropen, 1955.
(C) Marie Altgen 2015
Künstlerische Installationen handeln von den Beziehungen zwischen Objekten, Klängen und Projektionen. Sie sind Teil einer lebendigen Aufführungspraxis, in der Künstler_innen und Betrachter_innen den Raum immer wieder neu erfahren und konstruieren. Die Installation als Mittelpunkt und Quelle dieser Transformationsprozesse ist Herausforderung und Angebot zugleich: In ihrer Konfiguration weist sie eine Vielzahl von künstlerischen Techniken und Strategien auf, in ihrer Form ist sie ein komplexes sensorielles Angebot an die Betrachter_innen.
In diesem Seminar experimentieren wir mit Materialien und Immaterialien, mit Gefundenem, Angeeignetem und Gemachtem, in individuellen und kollaborativen Handlungsräumen. Den Rahmen hierfür bilden der Transmediale Raum das mit seiner Infrastruktur den Studierenden für ihre Experimente zur Verfügung stehen. Teil der Praxis wird das Vorstellen und Diskutieren künstlerischer Arbeiten sein. Am Ende der Kompaktwoche soll eine gemeinsame Rauminstallation für einen spezifischen Ort entstehen.
Exkursion:
N.n.
Literaturempfehlungen:
Claire Bishop, Installation Art
Ilya und Emila Kabakov, Über die „totale“ Installation
Faye Ran, A History of Installation Art and the Development of New Art Forms
Juliane Rebentisch, Ästhetik der Installation
Transmedialer Raum, Große Witschgasse 9-11
Donnerstags, 14.00 -16.00 h
The blackbird sings its importance;
The babblers dance their shining prestige;
The storytellers crack the established disorder.
–Donna Haraway, Staying with the Trouble
In diesem Seminar geht es um „die Vorstellung von einer Welt, die bewohnbar sein könnte“, in einer Zeit, in der neben inner-humanen Konflikten, das massenhafte Aussterben von Arten auf der Tagesordnung steht. Zwei der häufigsten Antworten auf den Horror des Anthropozäns sind, so Haraway, eine fast schon religiöse Hoffnung darauf, dass der technologische Fortschritt uns „ungezogene aber clevere Kinder“ am Ende schon irgendwie retten werde. Und, – vielleicht noch destruktiver – dass die Zeit bereits um sei: Game Over.
Unsere Konstruktionen von Welt basieren auf politischen, ökonomischen und individuellen Narrationen – Geschichten von Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen, Menschen und Tieren. Manche führen dazu, dass wir den Kopf in den Sand stecken und damit dem Barbarismus in die Hände arbeiten. Andere stärken das Vertrauen, dass wir etwas bewirken können und machen neugierig darauf, wie eine bewohnbare Welt für ALLE aussehen könnte.
Im Seminar diskutieren wir Arbeiten von Künstler_innen wie Sin Kabeza, Allora & Calzadilla, Beatriz da Costa und Maya Lin. Lesen Texte von Vinciane Despret, Donna Haraway und Bruno Latour. Besuchen einen Gnadenhof für sogenannte „Nutztiere“. Bauen dringend benötigte Nistplätze für Vögel und Insekten an der KHM. Und experimentieren mit multi-perspektivischen Technologien wie 360 Grad Video, binauralen Soundwalks und VR-Systemen, im Hinblick auf ihre Möglichkeiten für multi-spezies Narrationen.
Das im WS2017/18 anschließende Seminar ist für die Ausarbeitung der Projekte vorgesehen, die Anfang 2019 in einer Ausstellung präsentiert werden sollen.
Gäste im Seminar:
Susanne Karr, Kunst- und Kulturwissenschaftlerin, Wien
Martin Ullrich, Prof. für interdisziplinäre Musikforschung mit dem Schwerpunkt Human-Animal-Studies, Hochschule für Musik Nürnberg
Lisette Olivares, Künstlerin, Sin Kabeza Productions, New York
Exkursionen: Hof Butenland, Altersheim für Kühe
Workshop: Multiperspektivische Technologien
Literatur:
Karen Barad: Agentieller Realismus
Vinciane Despret: What Would Animals Say If We Asked the Right Questions?
Sue Donaldsen & Will Kymlicka: Zoopolis, eine politische Theorie der Tierrechte
Donna Haraway: Staying with the trouble, Making Kin in the Chutulescene
Susanne Karr: Verbundheit – Zum wechselseitigen Bezogensein von Menschen und Tieren
Michael Kirby: On Acting and Not-Acting
Bruno Latour: Kampf um Gaia: Acht Vorträge über das neue Klimaregime
Isabelle Stengers: In Catastrophic Times: Resisting the Coming Barbarism
Gregory S. Szarycz: The Representation of Animal Actors
Chris Wilbert: What is Doing the Killing
Transmedialer Raum, Große Witschgasse 9-11
Donnerstags, 14.00 -16.00 h
Das Seminar bietet unterschiedliche Blickwinkel auf die Theorien und Praktiken künstlerischer Forschung an.
Ziel ist es, durch das Handeln im und mit Material zu den eigenen, spezifischen Fragestellungen zu gelangen und diese durch performative Vorträge zur Diskussion zu stellen. Wie kann Erkenntnis nicht faktisch, sondern ästhetisch-erfahrbar vermittelt werden? Wie finde ich das Neue, wenn ich nicht so genau weiss, was dieses Neue sein könnte? Und wie stabilisiere ich Phänomene, die nur im Augenblick existent sind?
Transmedialer Raum, Große Witschgasse 9-11
Donnerstags, 14.00 -16.00 h
„Ein bekannter Kunsthistoriker reist mit einer Zeitmaschine aus der Zukunft zurück ins 21. Jahrhundert um den Maler Mathaway zu besuchen, der zu seiner Zeit vollkommen unbekannt war und erst in der Zukunft entdeckt wurde. Er lernt ihn aber als einen verdorbenen, untalentierten, an Größenwahn leidenden Zeitgenossen kennen; Mathaway stiehlt ihm sogar seine Zeitmaschine und entflieht mit ihr in die Zukunft. Dem Historiker, der sich solcherart in unserem Jahrhundert gefangen sieht, bleibt nichts anderes übrig, als Mathaways Identität anzunehmen und sich selbst als Maler zu versuchen: das Genie ist er selbst.“
Slavoj Žižek nach William Tenn
Das Motiv der Zeitreise als ein Techno-Phantasie hat Autor_innen die sich mit der Auswirkung von Technologien auf die Gesellschaft beschäftigen seit jeher fasziniert. Zeitreisen haben die Space Odyssey im Hinblick auf die Komplexität von Erzählungen als zentrales Moment zeitgenössischer Science Fiction abgelöst. In der Übertreibung der Kontrolle von Zeit über viele Zeitebenen hinweg, spiegelt sich der Wunsch nach Weltbeherrschung mittels Prognostik und Computersimulation. In diesem Seminar interessieren uns Zeitreisen jenseits der Apparate vor allem als Gedankenexperimente, die eine imaginative Atemporalität ermöglichen – als Maschinen zur Herstellung von Zukunft. Welche Methoden gibt es durch die Zeit zu reisen (psychologisch, schamanistisch, künstlerisch)? Welche Rolle spielen Medien bei der Reise durch die Zeit? Und im Hinblick auf das utopische Potential der Zeitreise – wie würde der Blick aus einer postrassistischen, postsexistischen, postspeziesistischen Gesellschaft der Zukunft, auf unsere Gegenwart aussehen? Die Studierenden sind eingeladen eigene Projekte vorzustellen und zu entwickeln.
Themenfelder: Retroaktive Kausalität, Prädestinationsparadoxien Uchronie, Zeitschleifen, Zeitkapseln, Dehnungen und Stauchungen, Wurmlöcher, Parallelwelten u.v.m.
Wiebke Elzel, Thomas Hawranke
Transmedialer Raum, Große Witschgasse 9-11 / Case - Projektraum der Fotografie
Fachseminar, Dienstags 17 - 19h
Erster Termin: Dienstag, 25. April, Transmedialer Raum
Ist unsere Wahrnehmung innerhalb virtueller Welten eine andere, als in der wirklichen Welt? Verändert sich der künstlerische Blick mit den Oberflächen, die er abtastet? Sind in den virtuellen Welten die gleichen Konzepte und Techniken anwendbar, die wir für fotografische Projekte in der realen Welt benutzen? Was geschieht, wenn künstlerische Überlegungen nicht Offline, sondern Online ihre Anwendung erfahren? Wie antworten Künstler auf die dominanten visuellen Oberflächen der unterschiedlichen Spielwelten? Und wie entgehen wir den Rhythmen der Maschine, die uns zum Handeln in der digitalen Landschaft verführen wollen?
Das Seminar sucht einen fotografisch-forschenden Ansatz im Umgang mit den virtuellen Weiten. Wir verweilen in den Landschaften, entdecken unberührte digitale Natur und fotografieren die Grenzbereiche simulierter Wirklichkeiten.
Literaturempfehlungen:
Galloway, Gaming: Essays on Algorithmic Culture Huberts/Standke, Zwischen|Welten – Atmosphären im Computerspiel
Knorr, Cyberanthropology
Levi-Strauss, Traurige Tropen
videogametourism.at, The Art of in-game Photography