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Long Way Home

Long Way Home
Katharina Klemm, Gerald Schauder
2013, 02:01 Min., Farbe, Ton

2013, 02:01 Min.(aus der ursprünglich 5 Min. Original-Installation), Farbe, Ton, Long Way Home

Idee, Animation : Katharina Klemm

Idee, Sound Design : Gerald Schauder

Programming : Luis Négron, Martin Nawrath

Kategorien : Video, Installation, Rauminstallation, Animation

Produktion : Kunsthochschule für Medien Köln, Katharina Klemm, Gerald Schauder


„Wo gehen wir denn hin? Immer nach Hause.“  (Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802)


Ein (alter) Mann läuft und läuft und läuft, die Bewegung ist zirkulär, sich wiederholend, ohne ersichtlichen Anfang und Ende. Der Figur, Sisyphos-verwandt, wird der Weg nach Hause nur im Titel ermöglicht, ein Ankommen ist jedoch unmöglich. Das Erreichen des Papierdrachens wird kurz gewährt, und damit verwandelt sich die Bewegung des Nachlaufens in ein Schweben und Fliegen über der Stadtkulisse. Die sphärisch klingenden Hintergrundtöne unterstützen diesen Moment der Erleichterung, machen die Szene traumähnlich.


Long Way Home als „kinetic video narration", wie Katharina Klemm und Gerald Schauder (Ton) die Erzählung im Untertitel bezeichnen, ist Animation und Installation zugleich, der Film gibt den Blick auf den installativen Aspekt aber erst nach einiger Zeit frei. Der Papierdrache als Objekt dreht seine Runden über einer kreisförmig inszenierten Handzeichnung, deren Projektion als Lichtquelle und als Animation fungiert. Die Arbeit wird damit sowohl filmisch als auch raumgreifend präsentiert.


Die Bewegung findet in der Zeichnung, im projizierten Bild statt, und auch in der Installation selbst. Zuerst alleine mit dem Drachen, dann in der verzerrten Stadtperspektive, einer Stadtkulisse im Rund, gesehen wie durch ein fishbowl-ähnliches Objektiv. Die Stadt wandelt sich aus einer blassen Schwarzweißzeichnung hin zu einer farbigen, abendlich beleuchteten Kulisse, die dann durch das Schweben der Figur immer mehr entschwindet, in der Wolkendecke sich auflöst, verdunkelt. Die Animation selbst hat mehrere Funktionen, dient als Bewegung, Erzählstrang, aber auch als Lichtquelle für die Installation und den Drachen als Objekt. Ort und kinetische Elemente werden illuminiert. Der Schatten des Papierdrachens wird Teil der Animation, macht das Bild vielschichtiger und räumlicher. Der Drache verstärkt die Bewegung des Protagonisten und dessen unermüdlichen, jedoch erschöpfenden Weg nach Hause. Zwischendurch erlöst vom Faden, an dem alles hängt, der Protagonist hängt, kurz schwebt, um dann doch wieder auf dem Boden der Tatsachen anzukommen und weiter zu rennen. 


Der Klang konzentriert sich auf die Geräusche des rennenden Mannes und seine unmittelbare Umgebung, die Stadt. Dadurch wird das Erlebnis im Hinterherlaufen, Erreichen, Mitfliegen, wieder Loslassen, wieder Hinterherlaufen als Teil des Zyklus verstärkt und schreibt die Mühsamkeit des Weges und die Unerreichbarkeit eines Endes auch auditiv, körperlich umfassend ein.


Die Überlappung von Raum, Kinetik, Animation, Klang forciert die Teilhabe an der spürbaren Anstrengung, dem Weg ohne Ende. Wie im Delirium, nie endend, ohne Entkommen, nur für einen Moment kurz befreit und schwebend erlöst, um immer wieder am Anfang zu landen. Der Moment verwischt, die Zeit ist endlos, ist Wiederholung, der Weg ist lang. Für die Betrachterin verändert sich die Szene stetig: Zu Beginn der singuläre Blick auf die beiden Protagonisten der Bewegung, Drache und laufender Mann, voller Mühsal im aussichtslosen Unterfangen des Greifens nach dem Drachen. Langsam weitet sich der Blick, in der Vogelperspektive auf die Stadt (und die Installation selbst) wird die Animation immer detailreicher, um sich dann wieder aufzulösen. Der Kreis schliesst sich mit der Rückkehr an den Anfang des Loops. Das Hinterherhecheln nach dem Objekt der Begierde, dem Drachen, der als Objekt den Moment des Fliegens und gleichzeitig das Erreichen des Himmels verkörpert, geht weiter. Die Frage, ob sich nicht eigentlich durch das Erreichen der Wolken in der Atmosphäre das Ziel des Fliegens erfüllt hat und es eigentlich immer weiter ins Weltall weitergehen könnte. Doch hier dreht sich der Kreis zurück zum Irdischen und es war ein Traum, wir landen auf der Erde und haben uns nur kurz erhoben, um über der Stadt zu schweben. Weiter nach Hause.


Die Arbeit Long Way Home wird als Installation im Raum anders wahrgenommen, als im Medium Film. Der zirkuläre Aufbau wird für die Betrachterin unmittelbar sichtbar. Bei der Übersetzung der Installation in Film wird der Beobachterin zuerst nur ein Ausschnitt gewährt, die Vogelperspektive auf die kinetische Arbeit suggeriert, dass die Animation als rein filmische Arbeit konzipiert ist. Erst durch Perspektivwechsel und Verschiebung des Kamerawinkels wird deutlich, dass sich der Weg nach Hause als Bewegung im Raum abspielt. Dieser Moment der Überraschung und Auflösung der Szenerie bleibt in der Perspektive der Betrachterin im Raum dagegen aus. Sie nähert sich seitlich, kann in Hüfthöhe auf die Installation und Zeichnung blicken und kinetische und Animationselemente unmittelbar deutlich unterscheiden.


Im Anfangsblickwinkel des Films wird somit ein Eintauchen in die Installation verstärkt, durch den Blickwechsel wird der Loop greifbarer und konkret erfahrbar, löst das Gefangensein in der Endlosschleife und ermöglicht Distanz zum Geschehen. Die Installation im Raum gewährt beides, Vogelperspektive und seitliche umrundende Betrachtung. Zusätzlich unterstützt die Dimension des Drachens den distanzierten Blick auf die animierte Figur. 

Diese unterschiedlichen Rezeptionsebenen zeigen die Schwierigkeit, gleichzeitig aber auch die Möglichkeiten der  filmischen Betrachtung einer Installation. Das Eingrenzen des Blickwinkels, die Konzentration auf den Soundtrack der Installation ohne den realen Raumklang, die Kameraführung um die Installation herum und in diesem Fall mit der Kreisbewegung verbunden, dies alles sind Elemente, die den Blick lenken. Die Annäherung an die Arbeit erfolgt aus der Perspektive der Künstlerin und die Installation Teil ihres Blickes. Aus der „kinetischen Videonarration“ wird eine eigenständige filmische Arbeit.


text - Karin Lingnau


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© Katharina Klemm, Gerald Schauder

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Das Spiegelungsprinzip von MOOZ ist auch programmatisch zu verstehen: denn jedes Projekt wird von einer anderen Stimme reflektiert, der*die mit den künstlerischen Arbeiten denkt, einen spezifischen Fokus darauf richtet und die Betrachter*innen zu eigenen Projektionen anregt.


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