MOOZ

Logo
Logo Text

MOOZ – on moving images and audiovisual arts 

Reign of Silence

07:27
Reign of Silence
Lukas Marxt
2013, 7:20 Min, Farbe, Ton

2013, 7:20 Min, Farbe, Ton

Idee und Realisation: Luxas Marxt

Fahrer des BootesDan Fisher

Neuaufnahme: Marcus Zilz

After Effects: David Jansen

Grading: Ewald Hentze



Lukas Marxt findet die Sujets seiner Arbeiten auf Reisen an entlegenste Orte: den Grund eines ausgetrockneten Salzsees im Westen Amerikas, die vulkanische Ödnis der kanarischen Inseln, eine Bohrplattform vor der norwegischen Küste oder die Abgeschiedenheit der Arktis.


Wie auch in seinen anderen Arbeiten fungiert die dargestellte Landschaft in „Reign of Silence“ als Kulisse und Protagonistin zugleich. So ist sie Hintergrund für das Auftauchen des Motorboots, das von der Seite ins Bild gleitet und das Landschaftsportrait performativ und akustisch aufbricht, dient aber auch als Kulisse für den ausgestellten Blick der Kamera. „Im Vergehen der Minuten wird der Blick selbst zum eigentlichen Zentrum der Aufmerksamkeit ...", schreibt Alejandro Bachmann über „High Tide “ und  benennt damit zwei wesentliche Koordinaten von Marxts Interesse: die Thematisierung des Blicks, der die Landschaft fasst und dadurch zum Bild transformiert sowie das erfahrbar gemachte Verrinnen der Zeit. Denn erst im „Vergehen der Minuten" enthüllen sich die unterschiedlichen Ebenen des Bildes sukzessive und treten in einen dialogischen Sinnzusammenhang. Das Konzept der Entschleunigung fungiert hier nicht als Selbstzweck, sondern als Augenöffner für Details und Verschiebungen, die dem unsteten Blick im Zustand alltäglicher Überreiztheit verborgen bleiben.


Gleichzeitig nutzt Marxt die Landschaft als Protagonistin, mit der es ihm gelingt, das in ihr geronnene, narrative Potential zu entfalten und ein Gespür für diverse, sich überlagernde Zeitsphären zu vermitteln. So erweist sie sich gleichzeitig als Depot von Vergangenheit, Schauplatz der Gegenwart und Indikator der Zukunft. Nicht zufällig wählt er zu Beginn des Videos einen Ausschnitt, der keine sichtbaren Spuren menschlicher Eingriffe enthält und so auf vorgeschichtliche Zustände von Natur verweist. In diesem Setting markiert das Auftauchen des Bootes den Beginn einer einschneidenden Veränderung, eines Eingriffs, in dessen Verlauf die Umwelt vom Menschen geformt und umgestaltet wird. Mit dem Verebben der Wellen gegen Ende des Films kündigt sich dann bereits eine Zukunft an, in der die menschlichen Spuren wieder verwischen und von den permanenten Umwälzungen der Materie eingeebnet werden.


In nur sieben Minuten gelingt Marxt eine unprätentiöse Parabel über das Werden, über den schmalen Grat der Gegenwart und über das Vergehen. Sinnbildlich steht hierfür das Wasser mit seiner eigenwilligen, selbsttätigen Eigenschaft, die dazu führt, dass Einschreibungen stets nur ephemerer Natur sind und es sich der dauerhaften Domestizierung und Formung entzieht.


„Begriffe sind trügerisch wie Wellen," (Macfarlane, Robert: „Karte der Wildnis“, erschienen in der Reihe „Naturkunden N° 18, hg. v. Judith Schalansky, Berlin 2016, S.31.) schreibt Robert Macfarlane in seinem Buch Karte der Wildnis und weiter: „Wildnis ist so ein Begriff, der ungeheure zeitliche Entfernungen zurückgelegt hat." (ebd.) Marxt vermag es, solche zeitlichen Entfernungen in einem Bild zu erfassen und die menschliche Gegenwart einzuordnen in das Davor und Danach einer wilden Natur, die unbeeinflusst ist von menschlichen Eingriffen. Das Anthropozän als eine begrenzte Zeitspanne, eingebettet in eine ungleich größere zeitliche Dimension.


All dies vollzieht sich im Rahmen einer einzigen, ungeschnittenen Einstellung, eines One-Shot-Videos. Marxt ist zum Meister dieses Genres geworden, das er in nachfolgenden Arbeiten wie Wunderschön und ruhig gelegen (2015) und Circular Inscription (2016) ausdifferenziert. Gemeinsam ist diesen Arbeiten, dass sich ihre Dramaturgien aus mäandernden Konstellationen der einzelnen Bedeutungsträger innerhalb der jeweiligen Einstellung entwickeln – einer Montage im Bild.


Gleichzeitig evoziert das Video Bezüge zur Land Art und hier im Besonderen zu Robert Smithsons Spiral Jetty, fügt dem Ganzen aber durch die Einblendung des Funkverkehrs auf der Tonebene eine ironische Note hinzu, die dem Sujet seine potenzielle Schwere nimmt. Erhabenheit und Stille der Landschaft werden entmystifiziert, wenn wir dem Regisseur und Fahrer des Bootes dabei zuhören, wie sie gemeinsam versuchen, die Spirale auf die Oberfläche des Meeres zu zeichnen, möglichst genau in die Mitte des vorher kadrierten Bildes. Und während die geometrische Einschreibung in „Spiral Jetty“ aus Stein erschaffen und ihre mitgedachte Erosion auf Jahrzehnte angelegt ist, bedient sich Reign of Silence einer ungleich flüchtigeren und damit transitorischen Geste, deren Spur sich im Moment ihrer Realisierung bereits wieder verliert.


Text – Daniel Burkhart



Lukas Marxt (*1983, Österreich) studierte Audiovisuelle Gestaltung an der Universität für künstlerische Gestaltung Linz, machte seinen Meisterschülerabschluss an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und absolvierte anschließend ein Postgraduales Studium an der Kunsthochschule für Medien Köln.


Seine Arbeiten werden international in Ausstellungshäusern und Filmfestivals gezeigt. Darunter der Hamburger Bahnhof, das Kunsthaus Graz, die Steve Turner Galerie in Los Angeles sowie das Locarno Film Festival, die Berlinale und das Ann Arbor Film Festival. Darüber hinaus erhielt Marxt zahlreiche Stipendien und Preise wie den Medienkunstpreis der Deutschen Filmkritik, das Staatsstipendium Medienkunst des BKA Österreich und ein Arbeitsstipendium der Stiftung Kunstfonds.



← Alle Filme sehen

©Lukas Marxt

ÜBER MOOZ

Der virtuelle Ort für künstlerische Arbeiten mit dem bewegten Bild und für experimentelle audiovisuelle Formate der Kunsthochschule für Medien hat einen neuen Namen: MOOZ. Die  auch weit über die KHM hinaus bekannte Plattform für Nahblicke auf die künstlerischen Projekte und Produktionen arbeitet nun mit dem Spiegelungsprinzip: MOOZ reflektiert die vielschichtigen Sequenzen und Formate, spiegelt bislang noch nicht Wahrgenommenes oder gerade erst Hergestelltes in die virtuellen Räume zurück. MOOZ vollzieht damit auch einen Perspektivwechsel: Es geht nicht nur um den Blick auf und in die überwiegend kurzen, audiovisuellen Formen und Entdeckungen zum Vlog, Found Footage, Essayfilm, dokumentarische und performative Formate, abstrakte und experimentelle, installative Anordnungen, sondern mit welcher Linse, welchem Fokus, welchem Zoom die Bewegtbildarbeiten zurückblicken auf die ebenso differente und vielstimmige Welt der User*innen.


Das Spiegelungsprinzip von MOOZ ist auch programmatisch zu verstehen: denn jedes Projekt wird von einer anderen Stimme reflektiert, der*die mit den künstlerischen Arbeiten denkt, einen spezifischen Fokus darauf richtet und die Betrachter*innen zu eigenen Projektionen anregt.


MOOZ@KHM.DE

Bitte warten