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Firestarter

Firestarter
Vered Koren
2017, 3-Kanal-Videoinstallation, Stereoton (4:36 Min. geloopt)

2017, 3-Kanal-Videoinstallation, Stereoton (4:36 Min. geloopt)

Idee und Realisation: Vered Koren

Kamera: Bruno Manguen

Produktion: Kunsthochschule für Medien Köln / Vered Koren


Der Blick in den Raum ist zugleich einer auf und in die Fläche – ein Vexierbild.


Es saugt uns Betrachtende magisch in die Erzählung ein und zerstäubt im selben Moment eine dominante Sicht in die sich auf der Fläche entfaltenden Miniaturszenen; eine Gleichzeitigkeit hier und dort, so wie der Sound Rhythmus und Windgeräusch in einem im Intervall abwechselt. Das Intervall ist Pause, eine zeitliche Unterbrechung, ein Zwischenmoment, der Raum gibt für die eigene Wahrnehmung. Für ein Hinterfragen dessen, was wir sehen. Eine synästhetische Videoinstallation, die alle Sinne schärft, Gerüche erinnert, uns mit den Augen hören und den Sinnen sehen lässt.


Aus der Dunkelheit des Bildgrundes scheinen fahle, feingezeichnete, aus mythischen Erzählungen entsprungene Figurenpaare auf zwei querformatigen Wandteppichen auf. Sie flankieren einen schmalen, in die Tiefe gehenden, reich mit ebenjenen von der Künstlerin bemalten Gobelins aus Papier ausgestalteten Untergeschossraum ohne Fenster. Es ist ein mit Amuletten, Figuren und Leuchtern in strenger Symmetrie geschmückter, kultisch anmutender, begehbarer Schrein, in dessen Mitte ein Mensch thront. Er trägt einen mit Federn, Nazar-Amuletten und Bastfäden bestückten, bemalten Anzug und zieht regelmäßig an einer von der Künstlerin gestalteten Nargila, kroatisch für Wasserpfeife. Ihr Behältnis ist aus der gleichen Tonfigur geformt, die als Darstellung an der Rückwand zu sehen ist und einer präkolumbianischen Statue ähnelt. Der als kultisches Oberhaupt erkennbare Mann scheint vollständig auf seine minimale Tätigkeit konzentriert. Die von Vered Koren charakteristische, in Feinmalerei gestaltete Bildwelt aus Tänzer- und Reiter*innen, Landschaftsszenen, Schrein- und Tempelanlagen der papiernen Goblens, kroatisch für Wandteppiche, die sie oftmals auch mit der Videoinstallation zusammen ausstellt, lassen eine fantastische und geschichtsreiche Welt vor unseren Augen erstehen. Der Titel des Wandteppichs nennt zudem Grand Rabbi Yeshaya Steiner, einen einflussreichen, jüdisch-chassidischen Rabbiner des 19. Jahrhunderts aus dem ehemals ungarischen Dorf Kesterir, zu dessen Grab bis heute tausende jüdische Gläubige pilgern. Seiner Person wurden große Heilkräfte zugesprochen und sein Bild wird heute wie ein Schutzamulett verehrt.


So entführt die erste Sequenz von Vered Korens Videoinstallation Firestarter von 2017 in eine bilderreiche, die verschiedenen Glaubensrichtungen, Kulte, Narrative und Volksmärchen aufrufende Welt, die sich auch im Ausstellungsraum in einer Black Box-Situation des Glasmoog entfaltet und etwas oberhalb der Sichtachse auf drei dicht nebeneinanderliegenden Screens gezeigt wurde. Einzig der Sound eines langgezogenen, rhythmischen Blubberns breitet sich im Raum aus. Dieser wird kurzzeitig durch ein zunächst unhörbares, aber sichtbares Ausatmen von Wasserdampf unterbrochen, bevor es erneut beginnt. Es weicht in den Pausen den Windgeräuschen, die in herabhängenden Stoffbahnen und Wimpeln des Schreinraums spielen, später in Nazar-Talismanen gegen den bösen Blick, die in verbrannten, kargen Zweigen der Landschaft hängen. Das Klimpern der blauen Glasaugenschmuckstücke bildet zusammen mit dem Wind das Grundgeräusch der bis auf den bärtigen Protagonisten menschenleeren, weiten Landschaft bei Haifa in Israel. Die Kargheit der Berggegend wird durch Nahblicke auf den ein- und ausatmenden Brustkorb des schamanenähnlichen, Wasserpfeife rauchenden Protagonisten konterkariert, dessen behaarte Brust ebenso kunstvoll mit Zeichnungen bedeckt ist, wie seine bemalte Anzugjacke, die ein florales Gegenstück in den verdorrten Büschen und federartigen Palmwedeln der Umgebung findet. In der Gegenüberstellung von Fern- und Nahsichten taucht der Protagonist mitunter als Suchender in der Landschaft auf, der verkohlte Äste auf einen Haufen wirft und wie für eine Feuerstelle arrangiert. Doch vermag er sie nur mit Steinen und Amuletten zu bestücken und parallel auf das rhythmische Ein- und Ausatmen der Wasserpfeife zu vertrauen. Es bleibt offen, ob der Schamane, Rabbi oder das religiöse Oberhaupt die Landschaft vor weiteren Naturkatastrophen zu wappnen vermag, die überbordende Verwendung von Nazar-Amuletten, die uns anzublicken scheinen, deuten eher auf menschliches Schutzbedürfnis hin, als auf die Überzeugungskraft des Rituals.


Die gezeigte Wüstenlandschaft ist nachhaltig versehrt, von großen Wildbränden gezeichnet, die aufgrund des trockenen Klimas und hohen Windaufkommens am 24. November 2016 für mehrere Tage in besonders drastischer Weise bei und in Haifa wüteten und zu einer Evakuierung von 60.000 Menschen führten; über 100 Menschen waren wegen Verbrennungen und Rauchvergiftung in klinischer Behandlung, wie der Bericht des Euro-Atlantic Disaster Response Coordination Centre zusammenfasst. Der Titel Firestarter legt jedoch das Gegenteil nahe: Hier bezieht sich die Künstlerin auf Aussagen von Abgeordneten, zum Teil Journalist*innen, die hinter den klimabedingten Bränden menschliche Brandstiftung und Terroranschläge witterten. Aufgrund dieser Diskrepanz gerieten sie jedoch bald in den Verdacht, Fake News zu verbreiten, da es für ihre Darstellung keinerlei Evidenz gab.


Das geschickte Verweben und Gegenüberstellen dieser Welten – der postapokalyptischen und der auf Rituale konzentrierten, Umweltkatastrophen geprägten Außenwelt, die unserer Kontrolle entgleitet und der sich am Alltagsglauben orientierenden, auf Mythisches vertrauenden, schicksalsergebenen Innenwelt, in der Ordnungen durch Symmetrien und Rituale fortbestehen sollen –, sie bilden ein Intervall, ein Vexierbild. Mit diesem und ihrem feinen Humor – der Wasserdampf wirkt der bereits verbrannten Natur entgegen – lenkt Vered Koren unsere Aufmerksamkeit auf ebendiesen Zwischenraum, dieses zeitliche Intervall in dem der Protagonist verharrt, zwischen dem wir uns visuell, gedanklich und räumlich in der Installation hin- und herbewegen.


Text - Lilian Harberer


Geboren 1985 in Kibbutz Kfar Masaryk, Israel, Vered Koren lebt und arbeitet in Köln und Tel Aviv.


Ausbildung
ab 2016 Kunsthochschule für Medien Köln, postgraduierten-Programm
2007–2011 Hamidrasha Kunstakademie, Hochschule Beit Berl, B.Ed.F.A. mit Auszeichnung – Interdisziplinäre Kunst und Kunstpädagogik


Einzelausstellungen
2019
 Segulot, Labor Ebertplatz, Köln

2018 Urban Legends, Skola6 Art Space, Cesis, Lettland
2016 Treasure Hunters, Online-Ausstellung für das Magazin Erev Rav, Israel
2015 WitchCraft, Museum für israelische Kunst Ramat Gan, Israel
2015 Black Magic, Kunstmuseum Shangyuan, Beijing

Gruppenausstellungen
2018 Eine Schifffahrt, Düsseldorf Photo Festival, Alte Kämmerei, Düsseldorf
2018 Real, Fake and the Imaginary, Kunsthochschule für Medien Köln
2017 Rundgang KHM, Glasmoog – Raum für Kunst, Köln
2017 Art@tech Festival, Trinitatiskirche, Köln
2017 Systematic Observation and Recall, Kunsthochschule für Medien Köln
2017 Art Birthday Bunker Party, Kulturbunker, Köln
2016 Fresh paint 8, Messe für Gegenwartskunst, Tel Aviv
2016 Mother Stone (Ima Even), Hanina Gallery, Tel Aviv
2015 Back 2 Kryptonite, Binyamin Gallery, Tel Aviv
2014 Lonely Planet, Gvirol Gallery, Tel Aviv                    
2014 International Creation Program Annual Show, Kunstmuseum Shang Yuan, Beijing
2014 Staycation, Hayarkon 19 Gallery, Tel Aviv                 
2014 Secret art 7, Beit Many, Bank Leumi, Tel Aviv
2013 NotBook, „International plain notebook project“, Beit Ha’ir, Museum der Stadtkultur, Tel Aviv-Jaffa
2013 Fresh paint 6, Messe für Gegenwartskunst, Tel Aviv
2013 Plaster, Jaffa Salon of Art, Jaffa, Israel
2013 The Barbecuers, „Hachava“ (The Farm) Gallery, Holon, Israel
2013 Fame temporary name, City Gallery, Rehovot, Israel
2012 Breathing Concrete, KG45 Gallery, Tel Aviv
2012 Artists Camp, Menashe Forest Festival, Y'earot Menashe, Israel
2012 Seven Sins, Alfred Gallery, Tel Aviv
2011 Abschlussausstellung, Hamidrasha Kunstakademie, Hochschule Beit Berl, Israel

   



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©Vered Koren

Installation view, Glasmoog- Raum für Kunst, Cologne

ÜBER MOOZ

Der virtuelle Ort für künstlerische Arbeiten mit dem bewegten Bild und für experimentelle audiovisuelle Formate der Kunsthochschule für Medien hat einen neuen Namen: MOOZ. Die  auch weit über die KHM hinaus bekannte Plattform für Nahblicke auf die künstlerischen Projekte und Produktionen arbeitet nun mit dem Spiegelungsprinzip: MOOZ reflektiert die vielschichtigen Sequenzen und Formate, spiegelt bislang noch nicht Wahrgenommenes oder gerade erst Hergestelltes in die virtuellen Räume zurück. MOOZ vollzieht damit auch einen Perspektivwechsel: Es geht nicht nur um den Blick auf und in die überwiegend kurzen, audiovisuellen Formen und Entdeckungen zum Vlog, Found Footage, Essayfilm, dokumentarische und performative Formate, abstrakte und experimentelle, installative Anordnungen, sondern mit welcher Linse, welchem Fokus, welchem Zoom die Bewegtbildarbeiten zurückblicken auf die ebenso differente und vielstimmige Welt der User*innen.


Das Spiegelungsprinzip von MOOZ ist auch programmatisch zu verstehen: denn jedes Projekt wird von einer anderen Stimme reflektiert, der*die mit den künstlerischen Arbeiten denkt, einen spezifischen Fokus darauf richtet und die Betrachter*innen zu eigenen Projektionen anregt.


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