2006, 6:19 Min., 16mm, 4:3, S/W
Englischer Titel: Cigaretta mon Amour – Portrait of my Father
Untertitel: Porträt meines Vaters
Entstehungsjahr: 2006
Länge: 00:06:30
Regie und Buch: Rosa Hannah Ziegler
Kamera: Michel Unger
Schnitt: Rosa Hannah Ziegler, Michel Unger
Betreuung: Prof. Dietrich Leder
Die Zeit ist wie erstarrt. Obwohl der Tag bereits voran geschritten ist, liegt der Vater der Filmemacherin noch im Bett. Er rollt sich auf die Seite, dreht sich eine Zigarette und raucht. Durch die Fensterscheibe fällt flackerndes Sonnenlicht ins Zimmer und lässt die Blätterschatten an den Wänden tanzen. Das Leben drängt nach innen, während dort die Zeit still steht und wie geronnen daliegt. Wir vernehmen den gedämpften Lärm von Verkehr und Maschinen, den Wiederhall der Aktivitäten des Tages. Noch eine Zigarette, dann rafft der Mann sich auf, schafft es sich zu erheben, das Zimmer zu durchqueren und die dunklen Vorhänge vor den großen Fenstern zur Seite zu schieben.
Die Position der Kamera wechselt nach draußen, zeigt den nur mit einem Morgenmantel bekleideten Mann hinter der Scheibe auf die sommerliche Natur schauend, als wäre sie eine Anmaßung. Wir hören vielstimmigen Vogelgesang, das Rauschen der Bäume und die dunkle Welt hinter der Scheibe wirkt weit entrückt.
Eine nächste Zigarette. Das wiederkehrende Rauchen strukturiert den Tag und zerlegt die dahinwabernden Stunden in erlebbare Einheiten. Einzig das Anwachsen der Zigarettenstummel im Aschenbecher bezeugt ein lineares Voranschreiten der Zeit.
Ein abrupter Szenenwechsel: Der Protagonist wandernd in einer nun diesigen, von Nebel verhüllten Landschaft. Als hätte der Rauch aus dem Zimmer die Welt geflutet und so den Modus der Trennung überwunden: Innenwelt und Außenraum fallen zusammen, während sich der Qualm der Zigarette im Nebel auflöst.
Dann kehren wir ins Zwielicht des Zimmers zurück. Der Mann erschöpft, sein Blick so müde, dass er nichts mehr hält. Nur einmal fliegt der Vorhang der Pupille auf und lässt ein Bild hinein: Das gerahmte Foto der Filmemacherin an der Wand. Offensichtlich eine Urlaubsaufnahme, in deren Verglasung sich das Gesicht des rauchenden Vaters spiegelt, während die Tochter ihm, hinter der Filmkamera stehend, dabei zuschaut.
Ein Moment, in dem sich Blick- und Zeitachsen in einem vielschichtigen Konstrukt aus Bezügen ineinander verschränken. Die in der Gegenwart filmende Tochter blickt durch den Sucher der Kamera auf ihren alternden Vater, während er sich in dem längst vergangenen Blick ihrer Fotografie spiegelt und derart in einem gleichzeitigen Nebeneinander Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft reflektiert.
Doch auch dieser Moment gerät aus dem Fokus und der Protagonist verliert sich erneut in seiner Lethargie: Wieder leere Blicke aus dem Fenster, Vorhänge zu, zurück ins Bett.
Rauchen.
Text — Daniel Burkhardt
Der virtuelle Ort für künstlerische Arbeiten mit dem bewegten Bild und für experimentelle audiovisuelle Formate der Kunsthochschule für Medien hat einen neuen Namen: MOOZ. Die auch weit über die KHM hinaus bekannte Plattform für Nahblicke auf die künstlerischen Projekte und Produktionen arbeitet nun mit dem Spiegelungsprinzip: MOOZ reflektiert die vielschichtigen Sequenzen und Formate, spiegelt bislang noch nicht Wahrgenommenes oder gerade erst Hergestelltes in die virtuellen Räume zurück. MOOZ vollzieht damit auch einen Perspektivwechsel: Es geht nicht nur um den Blick auf und in die überwiegend kurzen, audiovisuellen Formen und Entdeckungen zum Vlog, Found Footage, Essayfilm, dokumentarische und performative Formate, abstrakte und experimentelle, installative Anordnungen, sondern mit welcher Linse, welchem Fokus, welchem Zoom die Bewegtbildarbeiten zurückblicken auf die ebenso differente und vielstimmige Welt der User*innen.
Das Spiegelungsprinzip von MOOZ ist auch programmatisch zu verstehen: denn jedes Projekt wird von einer anderen Stimme reflektiert, der*die mit den künstlerischen Arbeiten denkt, einen spezifischen Fokus darauf richtet und die Betrachter*innen zu eigenen Projektionen anregt.