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Writing with Flaming Fingers

Das Filmprogramm zu Flucht und Vertreibung zeigt Videoarbeiten von Angela Melitopoulos und Shabnam Azar. Kuratiert und moderiert von Prof. Karin Michalski.

Freitag, 27. April 2018, 18 Uhr
Altes Pfandhaus
Kartäuserwall 20, 50678 Köln
Moderation: Prof. Karin Michalski

Wie können Vertreibung und Verfolgung und die prekäre Situation, die daraus für die betroffenen Menschen entsteht, beschrieben und erzählt werden? Wie lässt sich filmisch vermitteln, dass subjektiv Erlebtes für kollektive Geschichte und Traumata steht? 
Shabnam Azars Videofilme beziehen sich auf die Auswirkungen und die gegenwärtige Situation politischen Exils in einem rassistischen Europa. Diese ist von einem Gefühl alltäglicher Verunsicherung und Bedrohung geprägt. Angela Melitopoulos’ Video-Essay zeigt die Verstrickungen verschiedener historischer Gewaltgeschichten, von Genoziden, Zwangsarbeit und Konzentrationslagern, die vermeintlich in der Vergangenheit liegen und doch heute noch nachwirken: affektiv aber auch materiell, in individuellen Biografien und Nationengebilden und -narrativen. Während Shabnam Azars Arbeiten den Blick auf aktuelle Gewalt richten, weist Angela Melitopoulos auf die anhaltende Präsenz einer gewaltsamen Vergangenheit hin. Gewalt, die noch immer eine Aufarbeitung, Entschädigung und multidirektionale Erinnerungskultur (Michael Rothberg) erfordert.
Die künstlerischen Arbeiten von Shabnam Azar und Angela Melitopoulos stehen exemplarisch für ein Genre zwischen autobiografischem, experimentellen Dokumentarfilm und Medienkunst. Sie begegnen politischer Dringlichkeit und schaffen Raum für vielschichtige Erzählweisen, die auch auf der ästhetischen Ebene eine Entsprechung für das affektive Fortwirken kollektiver Traumata finden. (Prof. Karin Michalski)

Die Videoarbeiten und Regisseur/innen:

I am a subversive person von Shabnam Azar (2015, 5 ')

Wessen Augen betrachten die Bilder, die eine Überwachungskamera sieht? Azar analysiert und reinszeniert in ihrer Videoarbeit anhand von Google-Street-View-Aufnahmen die klaustrophobische Ästhetik allgegenwärtiger Überwachung. Hintergrund ist die Erfahrung der Künstlerin, als Journalistin und Dichterin zu einer „subversiven Person“ erklärt zu werden. Sie musste ihr Heimatland aufgrund ihres oppositionellen Engagements nach der Wiederwahl von Ahmadinedschad 2009 verlassen.

Deep Insomnia von Shabnam Azar (2016, 7')
Auf dem Rückweg sagte die Polizei am Kölner Flughafen zu dem Fahrer „Sie dürfen hier nicht anhalten. Entfernen Sie sich sofort.“ Er zeigte uns einen großen, umklebten Karton. Es bestehe die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Bombe in diesem Karton befindet, sagte die Polizei. Laute Polizeisirenen ... allgemeine Panik ...

Writing with Flaming Fingers von Shabnam Azar (2017, 6')
11. Februar 2016: Um kurz nach Mitternacht ging in der Notrufzentrale die Meldung über einen Autobrand ein. Wir fuhren zur Brandstelle und fanden ein in Flammen stehendes Auto vor, und dann einen menschlichen Körper im Auto. Es besteht der Verdacht auf Mord, sagte Linda Pleym, Sprecherin der Polizei von Malmö. Der iranische Dichter Sohrab Rahimi hatte seit 1986 als politischer Migrant in Schweden gelebt. Etwa zwei Jahre nach seinem Tod sind die Umstände noch immer ungeklärt. Wie können wir uns dem Tod eines Dichters nähern? Wie können wir ins Feuer atmen?

Passing Drama von Angela Melitopoulos (D, 1999, 66 Min., OF dt, UT engl.)
In ihrem vielfach ausgezeichneten Videoessay "Passing Drama" widmet sich Angela Melitopoulos einem kollektiven Gedächtnisprozess: der Fluchterfahrung einer griechischen Minderheit, die aus politischen Gründen in den 20er Jahren aus der Türkei deportiert wurde. Melitopoulos verwebt die Stimmen der Geflüchteten mit immer neu verkettetem Bildmaterial zu einem Hörbild, das ihrer eigenen Familiengeschichte ebenso nachspürt wie dem Massenphänomen von Migrationsbewegungen nach dem ersten Weltkrieg.

Shabnam Azar (*1977) ist eine iranische Dichterin, Journalistin und Künstlerin und lebt in London. Sie absolvierte bis 2003 ein Journalismusstudium am Centre for Media Studies and Research in Teheran. 2011 zog sie nach Köln. Seit 2015 studiert sie "Mediale Künste" an der Kunsthochschule für Medien Köln. Bisher wurden vier Gedichtbände von ihr veröffentlicht. In ihrer künstlerischen Arbeit thematisiert sie kritische und poetische Aspekte des zeitgenössischen Menschen. Für ihre journalistischen und literarischen Werke wurde Azar mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Mit Ausstellungen, Lesungen und Performances war sie u.a. in Teheran, Berlin, Göteborg, Paris, Malmö, Köln, Halabja, Frankfurt und Hamburg zu Gast.

Angela Melitopoulos realisiert seit 1985 experimentelle Videoessays, Installationen, Dokumentarfilme und Hörstücke. Den Fokus ihrer Arbeit bilden die Themen Mnemopolitik, Zeit, Geografie und kollektives Gedächtnis sowie ihr Verhältnis zu elektronischen/digitalen Medien und Dokumentation. In ihren Rechercheprojekten arbeitet sie mit aktivistischen Gruppen und geopolitischen Forschungsprojekten zusammen. Eine langjährige Zusammenarbeit verbindet sie mit dem Soziologen und Philosophen Maurizio Lazzarato. Melitopoulos studierte Bildende Kunst bei Nam June Paik an der Kunstakademie in Düsseldorf und promovierte am Department of Visual Cultures des Goldsmiths, Universität London. Sie ist Professorin an der Media School der Royal Danish Academy of Fine Arts in Kopenhagen. Ihr letztes Projekt "Crossing" wurde auf der documenta 14 ausgestellt.

Redaktion — Ute Dilger

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