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degree_show – out of KHM

03:29
Degree_show

Ausstellung von Studierenden und Absolvent*innen im KIT – Kunst im Tunnel, Düsseldorf.

Ausstellungseröffnung: Freitag, 14. Februar 2020, 19 Uhr, KIT – Kunst im Tunnel (verlängert bis 21. Juni)
Mannesmannufer 1b, 40213 Düsseldorf

Alle in der Ausstellung gezeigten Filme, Bilder, Performances und Installationen greifen die Beziehung zwischen Menschen und Orten auf. Sie erzählen Geschichten von Arbeitern*, Gefangenen, Künstlern und unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, sie handeln von der Zerstörung der Natur und ihrem Einfluss auf das menschliche Leben. Die Ausstellung informiert, sie hinterfragt alltägliche Muster und gibt der Sehnsucht nach dem Wesentlichen Raum: So kann sich der Besucher am Ende des Raumes von Klang und Bewegung, von Regen und Wind davon tragen lassen und das Gesehene und Gehörte reflektieren.


Die Schau vereint hierfür zeit- und medienbasierte (Abschluss-)Arbeiten von Student*innen und Absolvent*innen der Kunsthochschule für Medien Köln.


Mit Céline Berger, András Blazsek, Viktor Brim, Anna Ehrenstein, Kerstin Ergenzinger, Denzel Russell, Søren Siebel presents Bas Grossfeldt.


Die Ausstellung ist bereits das dritte Projekt, das im Rahmen einer Kooperation mit der KHM realisiert wird. Eine Zusammenarbeit, die aufzeigt, wie vielfältig der Kunstbildungsstandort NRW ist.

Kuratiert von Mischa Kuball und Gertrud Peters.

Die Ausstellung wird gefördert durch die Kunst- und Kulturstiftung der Stadtsparkasse Düsseldorf und der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland.


Zudem erhalten Viktor Brim und András Blazsek jeweils das mit 4.000 Euro dotierte Baker Tilly Künstler-Stipendium. Die beiden Künstler zeigen noch bis Ende Juni 2020 in der Ausstellung „degree show_out of KHM“ ihre Arbeiten im KIT.

Angesichts der momentan schwierigen Situation für freischaffende Künstler, hat sich das internationale Beratungsunternehmen Baker Tilly dazu entschieden, den Preis ausnahmsweise in voller Höhe gleich an zwei Künstler in einer Ausstellung zu vergeben, um diese finanziell zu unterstützen.


Viktor Brim (Usbekistan, *1987), lebt in Köln, überzeugte die Jury mit seinem 20-minütigen Video Dark Matter und dem Künstlerbuch Imperial Objects (beide 2020). Auf einer freistehenden Projektionswand wird nach und nach eine nebelige, postapokalytische Landschaft mit anhaltendem Drone-Sound sichtbar. Brim begab sich auf Spurensuche nach den Maschinen und Anlagen prekärer Lohnarbeit in einer Diamantmine in Jakutien sowie in den Sog ihres Kraters. Das langsame Abtasten dieser rätselhaft-düsteren Landschaft mit der Kamera, lässt Zerstörung und Gefährdung der Umgebung latent spürbar werden.

Mit „Dark Matter“ zeigt Viktor Brim (*1987) dokumentarische Aufnahmen, die den Betrachter an einen düsteren, scheinbar verlassenen und abgelegenen Ort versetzen; die Zeit scheint hier sehr langsam zu vergehen: Über den Spitzen der Nadelbäume hängt ein dichter Nebelschleier. Die Sichtweise beträgt nur wenige Meter. Ein dunkler Krater mit vorbeiziehenden Wolken tut sich auf. Im Dämmerlicht wird ein Muldenkipper beladen. Dunkle Erde wird ausgehoben, verfrachtet und abtransportiert. (Viktor Brim)

Hier offenbart sich eine schmutzige und brutale Arbeitswelt: Sujet ist das russische Diamantbergwerk „Mir“ (von russisch: мир, „Frieden“) in Sibirien, in der Teilrepublik Jakutien. In der Mine wurde von 1957 bis 2001 im Tagebau abgebaut. Dabei wurde – mit einer Tiefe von 525 Metern und einem Durchmesser von 1.200 Metern an der Oberfläche – eines der tiefsten künstlichen Tagebaulöcher der Erde geschaffen. „Mir“ war das größte und wichtigste Diamantbergwerk der ehemaligen Sowjetunion. Im gleichen Maß, wie das Loch immer tiefer wurde, wuchs der Anteil auf dem weltweiten Diamanten-Markt – die Autokratie der UDSSR festigte sich. 2009 wurde die Förderung wieder aufgenommen, allerdings nur im Untertagebetrieb.

Mit „Dark Matter“ erfasst der Künstler sowohl die Geschichte als auch die gegenwärtige Bedeutung der Mine und der Stadt Mirny. Der Film bietet eine komplexe Betrachtung der Auswirkungen verschiedener Regime auf eine Landschaft – politische und wirtschaftliche Bestrebungen sind in sie eingeschrieben. Er balanciert zwischen zwei Welten: Schöne, weitläufige Naturaufnahmen stehen im Kontrast zum naturzerstörendem Rohstoffabbau. Eine Thematik, die bis in unsere Gegenwart reicht.


Céline Bergers (*1973) Fokus liegt auf der Sprach- und Bildwelt heutiger Arbeits- und Unternehmensstrukturen. Sie sucht nach Wegen, Entwicklungen und Veränderungen im Berufsleben aufzuzeigen und kritisch zu beleuchten. Dabei betrachtet sie auch den Handlungsspielraum und das Widerstandspotential des arbeitenden Individuums.

Vor ihrem Studium an der KHM in Köln und der Rijksakademie in Amsterdam absolvierte die Künstlerin ein Studium der Physik und Materialwissenschaften und arbeitete fast zehn Jahre bei unterschiedlichen Unternehmen als Ingenieurin. Diese Dualität fließt in ihre künstlerische Arbeit ein. Denn die Beziehung zwischen Künstlern und Unternehmen hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Immer mehr Unternehmen überlegen, wie sie mit Hilfe von Künstler-Kooperationen ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken können. Für sie sind Künstler nicht nur interessante Partner für kreative und innovative Projekte, sie können auch die Rolle eines Coaches übernehmen. Am Ende einer solchen Zusammenarbeit kann ein materielles Ergebnis stehen, viel interessanter aber ist für die Künstlerin der Prozess selbst – er bringt Spannungen, Widersprüche und neue Erkenntnisse hervor.

Mit ihrem Film „Rare Birds In These Lands“ zeigt Berger diesen Prozess zwischen Kunst und Unternehmen auf. Ausgangspunkt ist ein Risikoanalyse-Workshop, den sie 2012 in Amsterdam organisierte. Der Workshop versammelte acht Teilnehmer: vier Künstler, ein Kurator und drei Manager. Gemeinsam gingen sie der Frage nach: Was passiert, wenn ein Künstler mit einem Unternehmen eine Zusammenarbeit eingeht? Welche Risiken geht der Künstler dabei ein, welche Risiken nimmt das Unternehmen auf sich? Eine Sprecherin spricht den Text, der auf den transkribierten Aussagen der Teilnehmer basiert.


Wo liegen die Grenzen des Hörens in unserer heutigen Gesellschaft? András Blazsek (*1984) untersucht mit „Speakers“ und „Superposition“ die Wechselwirkung zwischen Klang, Skulptur und Architektur, um neue Ansätze für das Hören zu entwickeln.

Als Hörende verbinden wir Klänge – die Interaktion von Schwingungen – immer mit einem physischen Gerät: einem Lautsprecher (Speaker). Diesen hat Blazsek in den Mittelpunkt seines künstlerischen Interesses gestellt. Im KIT zeigt er selbstgebaute Gips- und Glas-Modelle von Lautsprechern. Sie sind stumm, nur Form und Material, aber ihre starke Präsenz ruft die Illusion von Klang hervor.

Der dreidimensionale Gips-Körper von „Superposition“ basiert auf dem Profil von zwei übereinander liegenden Sinuswellen. Sinuswellen sind die grundlegenden Elemente jeder Klanglandschaft. Sie dominieren alles, was wir im Alltag hören. Im KIT hören wir nichts, wenn wir zwischen oder vor den Werken von Blazsek stehen, wir sehen Skulpturen, die uns einladen, uns unseres eigenen Körpers und unserer Sinne bewusst zu werden.


Anna Ehrenstein (*1993) lädt mit „A Lotus Is A Lotus“ ein, sich in eine fieberhafte Traumlandschaft aus Lentikulardrucken (Wackelbildern), Texilarbeiten und einer Video-Installation zu begeben. Sie erzählt Geschichten von indischen Mughal-Teppichen, Origami-Lotusblüten, gefälschten Balenciaga-Sneakers oder orientalischen Lampen aus Kairo.
Ehrenstein nimmt sich in ihrer Arbeit dieser Exotika an und untersucht verschiedene kulturelle Phänomene und ihre Manifestation als „Fake“ and „Folk“: Markenfälschung und folkloristische Objekte als Souvenirs. Im Fokus steht die Verbreitung dieser aus fremden Ländern stammenden Dinge und das Konsumverhalten in östlichen und westlichen Kulturen. Was passiert mit diesen ursprünglich traditionell geprägten Buddhafiguren, den Stoffen und den Statussymbolen, wenn sie in Massen produziert, gefälscht und in andere Länder „verschleppt“ werden?

Auch das Video und die Textildrucke mit dem Titel „Capitalocene Safari Fiber“ beschäftigen sich mit dem Zustand unserer Erde, die sich nach Ansicht einiger Soziologen in einer Krise befindet, die dem Kapitalismus geschuldet ist und der Vernachlässigung der Natur.

In ihren bunten, auf täuschende Weise fröhlichen Werken, schafft die Künstlerin eine Tiefe, die uns bei konzentrierter Betrachtung mit leisem Unwohlsein nachdenklich zurück lässt.


Danach können wir uns in die „Die Architektur des Unbewussten“ flüchten, die Søren Siebel hier installiert hat. Zunächst ist sie eine Bühne für eine Performance, die einmalig stattfand mit Tänzern des ZZT, des Zentrums für Zeitgenössischen Tanz in Köln, und der Musik von Bas Grossfeldt. Es war eine Techno-Erfahrung, die dank eines Funktion-One-Soundsystems den im KIT höchstmöglichen Pegel erreichte und damit den extremsten Kontrast bildete zu András Blazseks stummen Lautsprechern. Zurück bleibt die Einladung an die Besucher, die halbtransparenten Wände zur Interaktion zu nutzen zwischen Körpern und Umgebung. Søren Siebel hat dafür Tafeln aufgestellt, die zur Anregung dienen.


Denzel Russell (*1989) zeigt mit „Carceral Companie“ (Carceral, dt. Gefängnis) eine Arbeit, bestehend aus zwei Videos, auf Bildschirmen, die er selbst gebaut und programmiert hat. Er sammelte dafür Werbespots von Unternehmen, die das US-amerikanische Phänomen des „Prison Industrial Complex“ (PIC) unterstützen. Hierbei geht es um Unternehmen, die Profit machen mit der Privatisierung von Haftanstalten und diese wie eine Firma führen. Dieses kapitalistische Instrument richtet sich vor allem gegen Farbige und in Armut lebende Menschen. Der Autor und Aktivist George Jackson schrieb einmal ‘crime is the result of the disproportionate distribution of wealth and privilege’. (Verbrechen ist das Ergebnis der unverhältnismäßigen Verteilung von Reichtum und Privilegien). Derzeit sind in den USA mehr Menschen inhaftiert, als in jedem anderen Land der Welt (die muslimische und uigurische Strafbevölkerung Chinas ist immer noch nicht statistisch erfasst). Fast 80% der inhaftierten Einwanderer sind in Einrichtungen untergebracht, die von Unternehmen wie CoreCivic und The GEO Group betrieben werden, die beide an der Börse gehandelt werden. „Carceral Companie“ basiert auf Recherchen von WorthRises.org. #PeopleOverProfit.


 „Pluvial“ (als Regen fallend) von Kerstin Ergenzinger (*1975) ist eine skulpturale Rauminstallation, die dem Klang des Regenrauschens folgt. Sie untersucht die sinnliche und philosophische Beziehung zwischen Mensch und Ort, indem sie den horchenden Körper mit Momenten verbindet, in denen Nähe und Atmosphäre bisher unbekannte Bedeutungsebenen gewinnen.

Das 80-kanalige Rauminstrument besteht aus selbstgefertigten, digital gesteuerten Trommeln, welche nach dem String-Drum-Prinzip arbeiten. Die Trommeln balancieren schwebend in einem großen wolkenartigen Mobile. Für die Besucher spürbar heben und senken sie sich an den wärmeempfindlichen, kinetischen Nitinolsaiten und senden an- und abschwellende Rhythmen und rauschende Harmonien durch den Raum. Analog zum Phänomen Regen werden diese String-Drums mit zufälligen An-Aus-Spannungsimpulsen angesteuert, welche wiederum durch die Dichte und Intensität von gesammelten Niederschlagsmessungen auf den Weltmeeren moduliert werden. So simuliert und erzeugt „Pluvial“ akustisch regnerische Bedingungen: sei es ein einzelner Niederschlag oder die anhaltenden Regenfälle einer bestimmten Jahreszeit, ein Klima von variabler Länge oder eine von starkem Niederschlag gekennzeichnete geologische Episode.

Die Klanginstallation knüpft an die Erfahrung an, bei wechselnden Witterungsbedingungen draußen zu sein, an die Wahrnehmungsoffenheit, die entsteht, wenn man diesen ungeschützt ausgesetzt ist.



Und mehr ...
12. März 2020, 18 Uhr: Sparda-Kunst-Apéro, 18 Uhr

Gespräch mit den Künstler*innen und den Kurator*innen, Gertrud Peters und Mischa Kuball. Die Stiftung der Sparda-Bank West und KIT laden zum Sparda-Kunst-Apéro in die aktuelle Ausstellung ein. Der Eintritt ist frei.


4. April 2020, 19-02 Uhr: Düsseldorfer Nacht der Museen

Redaktion — Juliane Kuhn
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