Wie wir sehen – Künstlerische Kurzfilme aus der KHM

Aus Anlass ihres 25jährigen Bestehens bespielt die KHM gastweise und situativ einige Außenpositionen. Sie widmen sich der permanenten Reflexion und kritischen Selbstwahrnehmung der Aktivitäten einer KHM. Kein bisheriges Selbstverständnis reicht hin, weil die soziale, politische, ökonomische, technische, kommunikative und apparative Entwicklung der Welt-Wirklichkeit eine weitgehend andere ist als vor 25 Jahren.

Die zweiteiligen Präsentationen auf der B3 Biennale und der VIDEONALE.scope umfassen künstlerische Kurzfilme grundständiger und postgradualer Studierender aus Grund- und Hauptstudium sowie Diplomprojekte; Schwerpunkte liegen auf medienreflexiven Experimentalfilmen und Videokunst, dokumentarischen Miniaturen und hybriden Formen, die sich Gattungszuordnungen entziehen.

Schlaglichter auf die Programme: In „Dial M for Mother“ lässt Eli Cortinãs einen Mutter-Tochter-Konflikt, einen hitzigen Kampf um Identität und Autonomie, von ihrer eigenen Mutter – und der Hollywood-Schauspielerin Gena Rowlands ausagieren. Mit „Gregor Alexis" schafft Jana Debus ein subtiles Porträt ihres schizophrenen Bruders; in „On Labor Day in Metropolitan Detroit“ wirft Kate Dervishi einen melancholisch-sarkastischen Blick auf ihre verlassene Heimatstadt. Der Künstler Stefan Ramírez Pérez imitiert Bewegungsabläufe der Turnerinnen der Olympiade von 1996 und dehnt dabei in „Stick It“ den Augenblick äußerster Konzentration unmittelbar vor dem Wettkampf, den in unserer von Selbstoptimierungs-Zwängen geprägten Gesellschaft nicht seltenen Moment höchster Ansprüche an sich selbst – im Angesicht dräuenden Scheiterns. Eine Schneefläche und ein Eimer Farbe reichen Johanna Reich in „Black Hole“, sich selbst zum Verschwinden zu bringen, während in Julia Weissenbergs „Schneesturm" eine Gedächtniskünstlerin mithilfe eines komplexen binären Codes ein Kunstwerk zum Erscheinen bringt. Um das Verschwinden seiner Hauptfigur kreist Antonionis „L’avventura“; Benjamin Ramírez Pérez komponiert in „During The Day My Vision Is Perfect“ aus bearbeiteten Fragmenten des Films eine traumähnliche Referenz an das Original. In einer ebenso einfachen wie kühnen urbanen Intervention transformieren Mischa Leinkauf und Matthias Wermke, die im letzten Jahr mit dem Flaggentausch auf der Brooklyn-Bridge weltweit für Schlagzeilen sorgten, in „Zwischenzeit“ den öffentlichen Personen-Nahverkehr in Individualverkehr. In „Reign of Silence“ lässt Lukas Marxt ein Motorboot in einer zentrifugalen Bewegung eine Spirale auf einer Wasserfläche erzeugen, was an die 1970 von Robert Smithson im Großen Salzsee von Utah geschaffene Skulptur „Spiral Jetty“ erinnert, auf deren steinerne Monumentalität aber mit dem fluiden Werkstoff Wasser antwortet, auf deren aufwendige Errichtung mit einer beiläufigen Geste, und auf deren Ewigkeitsanspruch mit dem entspannten Einverständnis in die Flüchtigkeit künstlerischer Intervention.