Frischzelle: Festival für Intermediale Performance.
KHM
Frischzelle zeigt Performances, in denen die Übergänge zwischen akustischen und elektronischen, vor allem aber visuellen und musikalischen Medien diffus werden, um sich schliesslich vollständig aufzulösen. Mit dem Focus auf computergenerierter Echtzeitgrafik und experimenteller elektroakustischer Musik liefert Frischzelle jährlich die Zutaten für ein Universum, in dem sich aus den dunklen Hintergrundströmungen der Kunst und Musik neue Galaxien herausbilden.
Zutaten für ein Universum
Die überdimensionale Leinwand im Hintergrund einer Band, die gerade auf einem großen Festival spielt um den Auftritt zu einem quasi Live-Musikvideo werden zu lassen ist mittlerweile schon zum Standard geworden. Sollte man sagen, dass der Grund dafür im Bedürfnis des Menschen liegt, möglichst auf allen Sinnesebenen befriedigt zu werden oder sollte man kritisierend sagen, dass es sich nur um Sensationalismus handelt, der alles möglichst gross, bunt und blinkend werden lässt? Kunsthistorisch stellt sich diese Frage allerdings gar nicht, es handelt sich hier vielmehr um einen, zugegebenermassen ziemlich alten, Gedanken, der es allerdings in sich hat.
Der Begriff der “Synästhesie” kommt hier ins Spiel: Farbiges Hören, Phostismen und andere Effekte, die man bis vor wenige Jahrzehnte noch als Geisteskrankheit deklarierte oder dem Genuss von LSD und anderen halluzinogenen Drogen zusprach. Begriffe wie “Bildmusik”, “absolute Musik” oder “Gesamtkunstwerk” schwebte in den Köpfen der Vordenker, die sich seit Anfang des 20ten Jahrhunderts (und vermutlich auch schon weit davor) über eine homogenen Verbindung von Bild und Ton Gedanken gemacht hatten. Jedes Medium sollte auch die feinsten Nuance des anderen wiederzugeben in der Lage sein, wofür man irgendwann in den 1970er Jahren den Namen “Visuelle Musik” fand.
Allerdings schien leider ein bisschen zu viel Kopf und ein bisschen zu wenig Bauch im Spiel gewesen zu sein, denn der Funke sprang am Anfang nie so sehr auf die breite Masse über, dass man als Nicht-Experte davon Notiz genommen hätte. Aber die Zeiten haben sich geändert und das gewaltig. Verbindungen von Musik und Bild können programmiert und wie Instrumente auf der Bühne gespielt werden, wodurch der Vorstoss in den Bauchgegend oder noch tiefer liegenden Organe problemlos möglich ist.
Frischzelle zeigt Performances, in denen die Übergänge zwischen akustischen und elektronischen, vor allem aber visuellen und musikalischen Medien diffus werden, um sich schliesslich vollständig aufzulösen. Mit dem expliziten Focus auf computergenerierter Echtzeitgrafik und experimenteller Elektroakustischer Musik liefert Frischzelle jährlich die Zutaten für ein Universum, in dem sich aus den dunklen Hintergrundströmungen der Kunst und Musik seit einigen Jahre sehr interessante neue Galaxien herausbilden.
Neben den brodelnden audiovisuellen Laboren, die Frischzelle immer wieder an den Kölner Hochschulen installiert, an der sie ursprünglich mal entstand, umfasst das diesjährige Programm u.a. Größen wie Radian, die “international äußerst erfolgreichen Elektronik-Erneuerer mit schwerer Postrock-Kante” (Zitat sra.at), Kölns wohl bekannteste Eminenz der abstrakten Elektronik, Marcus Schmickler im Duo mit dem Bildalchmisten Carsten Goertz und Violavirtuose Garth Knox im Duo mit Videoguru Brian O´Reilly.
DIE GÄSTE (Auswahl)
Radian
Nach “Juxtaposition” auf dem Chicagoer Label “Thrill Jockey” gehören die drei Wiener Jungs zu den derzeit angesagtesten Experimentalgruppen. Fast wie selbstverständlich wurde ihre neueste CD “chimeric” in der NewYork Times kritisiert, passend zum Auftakt der umfangreichen US-Tour in diesem Jahr. Ihre Musik bietet so ziemlich alle Facetten, die man sich gerne wünschen würde, von fragil und viel Platz bis brachial laut und rotzig, von melodisch groovig bis knistrig und geräuschhaft, meisterlich arrangiert und mit äusserster Präzision auf den Punkt gebracht.
Garth Knox & Brian O´Reilly - Spectral Strands
Spezial Stands war eine Auftragsarbeit des ZKM Karlsruhe. Zu sehen sind kaum erkennbaren Gestalten und Objekten, die zu Mustern, Farbflächen und Rhythmen zerfallen als sensible Bezüge auf die von Knox meisterlich interpretierten Kompositionen von Giacinto Scelsi, Salvatore Sciarrino, Gérard Grisey, Michael Edwards und Kaija Saaraho. Nach seiner Arbeit mit dem Arditti String Quartet hatte Knox mit seinen Solo-Produktionen u.a. den deutschen Deutscher Schallplattenpreis gewonnen und war zuletzt mit Viola d’Amore auf ECM Records “record of the month” im Gramophone Magazin. Spektral Strands erschien als DVD auf dem renommierten Label für Neue Musik Wergo.
Marcus Schmickler & Carsten Goertz – Altars of Science
Über Herrn Schmickler braucht man nicht viele Worte zu verlieren, er ist eines der Aushängeschilder avantgardistischer Elektronischer Musik in Köln. Zu Altars of Science zitieren Schmickler und Goertz Terence McKenna “The universe is not being pushed from behind; it’s being pulled from the future.” und so wirkt es auch. Beherzte Lautstärke, sowie der Einsatz von Stroboskopen zusätzlich zu den flicker-ähnlichen anmutenden Grafiken von Carsten Goertz geben der Arbeit eine sehr körperliche Komponente.