KHM-Beiträge beim Weather Tunnel Project, Peking
Die KHM ist mit zwei Arbeiten in der temporären Architektur des Weather Tunnel im Rahmen der Translife Triennial am National Art Museum of China in Peking vertreten: mit "Blind Spots" von Susanna Schoenberg und "Sonnenwindperiskop/Solar Wind Periscope" von Lasse Scherffig und Jonas Hansen.
26.07.11 - 17.08.11
National Art Museum of China
Beijing
Susanna Schoenberg: Blind Spots
Da wir die blinden Flecken nicht sehen, die die Papille unseres Sehnervs projiziert, erleben wir uns in der Tendenz als eindeutig getrennt von unserer Umwelt, und wir vertrauen der Wahrnehmung, die wir von ihr haben. Die Installation Blind Spots reflektiert Selbstbeobachtung und Selbstbewusstsein als Datenkonstrukte. Als Objekte sind die Blind Spots Allegorien eines „körperlosen Auges“, das Daten „sieht“. Die Daten der Umweltsensoren, die vom Weather Tunnel zur Verfügung gestellt werden, steuern synthetische Bilder an: die Blind Spots „sehen“ nur dort, wo Daten sind; sie geben Formen wieder, die sich auf Echtzeit-Werte, wie auch historische Serien beziehen, im Versuch eine Systematik zu finden, ein (Daten-)Bild zu „verstehen“. Die Arbeit ist jener konstruktivistischen Vorstellung einer Realität gewidmet, die reine Errechnung ist: das ist das, was wir „verstehen“.
Jonas Hansen und Lasse Scherffig: Sonnenwindperiskop
Das Sonnenwindperiskop richtet den Blick nicht auf das lokale Wetter oder das globale Klima, sondern auf das Wetter außerhalb der Erde. „Space Weather“ bezeichnet vor allem den Sonnenwind (die Heliosphäre), einen ständigen Strom hochenergetischer Teilchen von der Sonne, die mit der Erdatmosphäre kollidieren. Durch ihn entsteht an der Grenze zwischen Erde und Weltall eine ionisierte Schicht: die Ionosphäre. Abhängig vom Sonnenwind kann diese geladene Schicht Kurzwellenfunk entweder reflektieren oder absorbieren. Durch die Reflexion können Radiowellen Punkte auf der Erdoberfläche erreichen, die wegen der Krümmung der Erde eigentlich verdeckt sind. Die Reichweite von Kurzwellensendern kann so, unter günstigen atmosphärischen Bedingungen, tausende Kilometer betragen. Dieser Effekt, der Raumwelle genannt wird, hat im Umkehrschluss zur Folge, dass die Reichweite eines Kurzwellensenders von der Ionisierung der Atmosphäre und damit dem Sonnenwind abhängt. Durch das Messen von Signalreichweiten kann daher ein irdischer Funkempfänger als Wetterstation für außerirdisches Wetter dienen.
Das Sonnenwindperiskop ist ein drehbares optisches Instrument, das die sichtbare Umgebung des Wettertunnels in Peking mit dem unsichtbaren „space weather“ verbindet. Die Verknüpfung beider Phänomene stellt eine Antenne her: Diese horcht in ein weltweites Netzwerk verteilter Funksender, das WSPRNET (von whisper: flüstern) genannt wird. Die Messungen werden mit einer Datenbank im Internet abgeglichen. So lässt sich feststellen, welche Orte auf der Erde von Peking aus momentan hörbar sind – und damit, in welche Richtung sich der Sonnenwind wie auf die Atmosphäre ausgewirkt hat.
Ein Blick durch das Periskop zeigt die Umgebung des Wettertunnels, ergänzt um eine Visualisierung der Messergebnisse aus dem WSPRNET. Es entsteht eine künstlerische Schnittstelle zwischen dem Ort der Ausstellung und der Sonnenaktivität im Weltraum, verknüpft über ein wissenschaftliches Messverfahren, das einen Radioempfänger, eine Kamera und eine Datenbank im Internet kombiniert.
Zugleich setzt das Sonnenwindperiskop setzt seinen Standort in Peking, auf die globale und dank der Raumwellen grenzenlose Karte des WSPRNET, auf der China bisher allenfalls als weißer Fleck erscheint – nicht zuletzt, weil der schwer kontrollierbare Amateurfunk in China streng reglementiert ist.