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In Erinnerung an Prof. Jürgen Claus (1935-2023)

Jürgen Claus (Foto: Nora Claus)

Der einstige Professor für Medienkunst, Unterwasser- und Solarkünstler verstarb am 5. September 2023.

Im Oktober 2023

Jürgen Claus war von 1991 bis 2000 nebenberuflicher Professor für Medienkunst an der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM). Er nahm 1991 u.a. mit Alfred Biolek, Peter Bringmann, Dominik Graf, Horst Königstein, Hansjürgen Rosenbauer, Bernd Kracke, Werner Nekes und Fabrizio Plessi die Lehrtätigkeit an der KHM auf. Aufgefordert von der damaligen Ministerin für Wissenschaft und Forschung, Anke Brunn, war er auch am Aufbau und den ersten Entwicklungen der KHM konzeptuell beteiligt. Denn die Gedanken und Theorien, die er 1987 in seinem Buch "Das elektronische Bauhaus" veröffentlichte, nahmen das damals auf elektronische und digitale Medien fokussierte Lehrkonzept der KHM vorweg: Er sah die Aufgabe des zeitgenössischen Künstlers darin, sich der avanciertesten Technologien bzw. neuesten Medien zu bedienen, gerade um andere und neue Gebrauchsweisen dieser Medien zu erkunden, die eben keiner kommerziellen Nutzung unterlagen. Unter dem Motto „Maus statt Palette“ propagierte er die Beschäftigung mit digitaler Grafik und Computeranimation, mit Videoclip, Laserinstallation und Holographie und deren Verknüpfungen.


Und was heute in Kunst und Gesellschaft nicht mehr wegzudenken ist, hatte er damals künstlerisch schon fest im Blick: die gefährdete Umwelt, die Energie der Sonne und die unerforschten Tiefen der Weltmeere. Seit den 1960ern machte er als Unterwasser- und später als Solar-Künstler von sich reden. Er tauchte mit den Meeresforschern Hans Hass und Jacques Cousteau in den Ozeanen und organisierte Unterwasser-Performances. Gemeinsam mit seiner Frau Nora erhielt er 1995 den Europäischen Solarpreis. Als eigenen Beitrag zum SolArt Global Network realisierten sie 1995 die Sonnenskulptur "Solarkristall" für den Solarpark der FH Aachen-Jülich.


In seiner Zeit an der KHM leitete er ab 1997 auch das EU-Projekt "Bimode – Development of Bi-functional Photovoltaic Modules for Building", um als „Solarkünstler“ neue künstlerisch-ästhetische Wege der Gebäudeintegration von Solarenergie zu erforschen und entwickeln. "Form folgt der Energie", auf diese provokante These brachte er 1999 die ersten Ergebnisse. So demonstrierten die vom Team der KHM vorgestellten Anwendungsbeispiele die Verwandlung einer alten Backstein-Industrieanlage im Düsseldorfer Hafenbereich oder der Kaufhof-Fassade am Berliner Alexanderplatz durch neuartige Solarmodul-Fassaden.


Prof. Dr. Siegfried Zielinski, Gründungsrektor von 1994 bis 1999, Rektor von 1999-2000 und Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaften an der KHM, beschreibt den ehemaligen Kollegen:

„Vorausschauende Rücksichtnahme – so möchte ich die Geste beschreiben, die mir für den Künstler und Kunstdenker Jürgen Claus treffend zu sein scheint. Wie ein Seismograph, der die schwachen Signale ausfindig machen will, die später die Zukunft bestimmen würden, tauchte er schon vor mehr als einem halben Jahrhundert in die Tiefen des Ozeans und feierte dieses gigantische Medium in seiner Kunst unter Wasser als ästhetische und natürliche Sensation. Seine entgegengesetzten Bewegungen in den Kosmos, der Sonne entgegen, bescherten der KHM Köln u.a. vor 25 Jahren ein frühes, von der Europäischen Union gefördertes Projekt zur Gestaltung von Solarpanels für die nachhaltige Erzeugung von Energie. Kunst mit und durch Video, der experimentelle Film oder die Computerkunst, die in der Medienkunst aufgehoben wurde – Juergen Claus erforschte alle diese Bereichen als Pionier und kritischer Erforscher eines "digitalen Bauhauses". Vor allem war er ein warmherziger, immer solidarischer Kollege, auf den sich auch solche Studentinnen und Studenten verlassen konnten, die abseits von den energetischen Zentren der Medienkunst ihre Kreise drehten und ihr künstlerisches Glück versuchten. Die Lebensfreude, die er im wahrsten Sinn des Wortes verkörperte, bereicherte den Alltag an der Kunsthochschule für Medien außerordentlich. Ich vermisse ihn sehr.“


Prof. Peter Kiefer, Komponist, Klangkünstler, Lehrbeauftrager für "Musikgestaltung in den Medien", künstlerisch Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Professor an der KHM von 1991 bis 2004 sowie heute Professor an der Hochschule für Musik Mainz für Klangkunst-Komposition erlebte Jürgen Claus, als der postgraduale Studiengang an der KHM begann und erinnert sich an seinen Freund:

"Ich lernte Jürgen und seine Frau Nora im Jahr 1989 bei ihrem Einzug in das Centre Overroth in Belgien kennen. Er zog aus München in die Region seiner Vorfahren, weil er in der Nähe der gerade im Aufbau befindlichen KHM sein, aber in der Natur wohnen wollte. Ich war damals 28 Jahre und er, fast doppelt so alt, hat mich – für mich ungewohnt – mit großem Interesse und offenen Armen begrüßt. Als Musiker und Komponist kam es schnell zu einer Kooperation, die mich auch an die KHM führte, denn Jürgen meinte, dass den AUDIOVisuellen Medien, die an der KHM etabliert wurden, es noch an der Lehre für Klang und Ton fehlte. Die ersten Videovertonungen wurden noch analog überspielt, indem wir ein Tonband per Hand starteten und direkt auf die Betacam Kassette überspielten. Das Videostudio war noch in Planung. Jürgen Claus hatte immer ein großes Vertrauen in seine Studierenden – allerdings auch klare ästhetische Vorstellungen, die immer eine innovative Nutzung der Neuen Medien einbezogen.

Der kommunikative Mensch Jürgen Claus war mir ein großes Vorbild; er konnte auch in ungewohnten Situationen offen auf die Menschen zugehen und sie einfach mal ansprechen und eine nette Bemerkung fallen lassen. Jürgen konnte direkt die Herzen anderer Menschen ansprechen, darin war er ein Meister. Seine Studierenden an der KHM haben Jürgen verehrt und geliebt und er inspirierte sie auch zu den damals ungewöhnlichen Themen wie Biosphäre, Solar- und Unterwasserkunst. Wir kennen Jürgen als Visionär, der die olympischen Spiele 1972 mit betreut hat und die Idee der Olympischen Spiele einer Weltgemeinschaft entwickelt hat, die auf dem Ozean auf mobilen Inseln stattfinden sollen. Für mich immer noch eine der stärksten Zukunftsvisionen – ein Projekt und keine Utopie – weil realisierbar.

Jürgen sagte damals auf einem unserer Spaziergänge in Belgien: „die Kunst hat die Möglichkeit, heute schon Antworten auf Fragen geben, die sich die Gesellschaft erst in der Zukunft stellen wird.“ Das hat mich zutiefst beeindruckt und tut es auch immer noch.

Die mitreißenden Strömungen, Strudel und Flüsse durch seine Kunst, seine Bücher und sein DA-sein als Mensch bleiben und fließen als Energien auch in uns und durch uns weiter. Lieber Jürgen. Danke dafür!

Jürgen Claus lebte und arbeitete in Aachen und Baelen (Belgien), wo er seit 1989 zusammen mit seiner Frau Nora das "Centre Overoth" mit dem Schwerpunkt Biosphärische Kunst leitete. Er war bis zuletzt produktiv. Im Sommer 2020 wurde sein Buch "To the Oceans with Imagination. Planet Ocean as Medium and Culture" bei Hatje Cantz (DCV) in englischer Sprache veröffentlicht. Und kurz vor seinem Tod erschien "The Ocean as a Creative Experience". Jenny Stanford Publishing, Singapur 2023.

Seinen Nachlass gab er noch zu Lebzeiten dem ZKM in Karlsruhe.

Jürgen Claus starb am 5. September 2023. Die KHM möchte ihn nicht vergessen.


Dr. Juliane Kuhn



 Das LAB. Jahrbuch für Künste und Apparate  wurde Mitte der 1990er Jahre durch den Künstler und Theoretiker Jürgen Claus zunächst als Zeitschrift in einer Nullnummer erprobt.

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