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35 Jahre Kunsthochschule für Medien Köln

Longshot. Räume der Vielsprachigkeit – ein Abend mit Natalia Papaeva

Natalie Papaeva, The River I Grew Up With (Courtesy of the artist)

"The River I Grew Up With" heißt der zweite Abend der Reihe Longshot : Räume der Vielsprachigkeit im Wintersemster mit der Künstlerin Natalia Papaeva. Die semesterübergreifende Reihe präsentiert öffentliche Gespräche und Vorträge zur künstlerischen Forschung – als Kooperation der Kunsthochschule für Medien (Kunstgeschichte mit erweitertem Materialbegriff), der Universität zu Köln (Labor für Kunst & Forschung), der Gesellschaft für Künstlerische Forschung in Deutschland (gfkd) und der Temporary Gallery, Köln.

Donnerstag, 4. Dezember 2025, 18 Uhr, Temporary Gallery
Centre for Contemporary Art
Mauritiuswall 35, 50676 Köln
Eintritt frei

„Räume der Vielsprachigkeit" entfalten sich in Überlagerungen von Gesprochenem, Geschriebenem, Gehörtem und Gelesenem. Im Rahmen zweier Gastvorträge und widmen wir uns mehrsprachigen mündlichen und schriftlichen Übertragungen, mit Übersetzungen, Vertonungen und Verkörperungen verschiedener Sprachen der Kunst und Literatur. Diese schaffen Öffnungen, die das vermeintlich Singuläre einer Sprache herausfordern, in dem nicht nur Begriffe aufgefächert werden, sondern auch das, was sie zu fassen suchen. Hier entstehen eigene Rhythmen, Tonalitäten und körperliche Techniken, die es zu kontextualisieren und zu hören gilt.


Natalia Papaeva  präsentiert eine Lecture performance zum Kontext von sowjetischem und russischem Kolonialismus sowie zwei Screenings:

  • Screening eines Ausschnitts von The River I Grew Up With (2023)
  • Yokhor, 1-Kanal-Videoperformance, 30:00 min. Kamera: Oleg Revenko


In The River I Grew Up With erinnert Natalia Papaeva in einem Zwiegespräch mit ihrer Mutter an die Landschaft, die das ostsibirische Dorfes Orlik umgibt, und die mit Familienerinnerungen verflochtenen Geschichten. Die burjatische und russische Sprache vermischend, unterhalten sie sich als Duo über ihr Dorf, die sowjetische Geschichte, Anekdoten aus der Nachbarschaft und Geistergeschichten. Die Zweisprachigkeit wird in ihrem Gespräch sowohl akustisch durch zwei Soundspuren vermittelt, als auch visuell zu einem gemeinsamen Text durch russische und burjatische Wörter in rot und grün. Über die familiäre Interaktion steckt die Künstlerin eine lückenhafte verbale Landkarte ab und lässt damit eine in Auflösung begriffene Landschaft und ihre Kultur im Wandel erfahrbar werden.


„Ich habe meine Muttersprache vergessen. Und ich bin nicht die Einzige. Viele Menschen in meiner Heimat Burjatien (Sibirien) verlieren ihre Sprache. Die burjatische Sprache ist eine von fast 2600 Sprachen, die wahrscheinlich verschwinden werden. Von allen 6000 Sprachen der Welt sind 43 % vom Aussterben bedroht, und ich selbst durchlebe diesen Prozess. In meiner Performance singe ich zwei Sätze aus einem traditionellen burjatischen Lied. Es sind die einzigen zwei Sätze, an die ich mich erinnere.“ Natalia Papaeva


Yokhor – ein traditionelles Tanzlied singt die Künstlerin auf burjatisch vor den gestaffelten Streben einer Unterführung im öffentlichen Raum. In der vielfachen Wiederholung wird es zu einem Klagegesang und im Crescendo zu einem einzigen verzweifelten und wütenden Aufschrei, bei dem auch ihre Stimme mitunter versagt. In dem Abgesang auf die Flüchtigkeit und das Verschwinden ihrer Sprache, artikuliert Papaeva die Brutalität und den Schmerz ihrer Auslöschung. Es sind Strukturen von Zwang, Macht und Unterwerfung, die zu ihrem Aussterben führt und dem sie in der Wiederholung und in der zeitbasierten Performance ein ephemeres und widerständiges Denkmal setzt.


Natalia Papaeva ist eine bildende Künstlerin, die mit zeitbasierten Medien arbeitet, in Burjatien (Ostsibirien) geboren und aufgewachsen ist und in den Niederlanden lebt. Ihr künstlerischer Prozess wird durch Text – gelesen oder geschrieben – in Gang gesetzt, der dann in Bewegungen, Bilder und Klänge übersetzt wird. Oftmals findet ihre vom Aussterben bedrohte Muttersprache Eingang in ihre Praxis. Sie holt die burjatische Sprache aus dem privaten Bereich in die Öffentlichkeit und widersetzt sich damit der Vorstellung, dass sie vom Aussterben bedroht ist. Sie hat einen BA-Abschluss der Königlichen Akademie der Bildenden Künste in Den Haag. 2018 gewann sie den TENT Rotterdam Award und den IMD Department Prize der KABK für die beste Videoarbeit. 2025 erhielt sie zwei Auszeichnungen für ihre Skulptur The Fire in My Mind: den Frans de Wit Prize und den Business Platform Schipholweg Prize. Von 2022 bis 2024 war sie Stipendiatin der Rijksakademie in Amsterdam. Ihre Arbeiten wurden im HKW, im M HKA, im Kasseler Kunstverein, auf der Asian Biennale und der Ulaanbaatar Biennale ausgestellt und befinden sich in internationalen institutionellen und privaten Sammlungen.

Redaktion — Juliane Kuhn
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