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Chargesheimer-Stipendium 2017 für Şirin Şimşek

ŞIRIN ŞIMŞEK, HÜZÜN, 2017, Video, Farbe, Ton
Die KHM-Absolventin erhält das Förderstipendium der Stadt Köln in der Sparte Medienkunst.
Ausstellungseröffnung, 6. Dezember 2017, 20 Uhr (bis 23. Dezember)
artothek – Raum für junge Kunst, Am Hof 50
50667 Köln
Şirin Şimşek ist eine Grenzgängerin zwischen den Medien Fotografie, Film und Video. Im Mittelpunkt ihrer Werke steht das menschliche Subjekt, die Begegnung mit ihm und seiner Identität.
Sind wir das, was wir sind, weil wir so geboren wurden? Oder weil die Gesellschaft uns so formt?

ist eine zentrale Fragestellung der 34-jährigen Deutsch-Türkin. Aber auch die Frage nach kultureller Zugehörigkeit, den Einfluss von Familie und die mit ihr verknüpften Erwartungen an das Individuum sowie politische und gesellschaftliche Umbrüche beschäftigten sie.


So handelt die Arbeit "Der Retter bist du", mit der Şirin Şimşek 2012 ihr Diplom an der Hochschule Düsseldorf machte, von ihrer eigenen Familie und der Rolle, die sie selbst in dieser einnimmt. In dem Buch vermischt die Künstlerin Aufnahmen aus Familienalben mit eigenen, ungeschönten und teilweise sehr intimen Fotografien und immer wieder auch eigenen kurzen Texten, in denen sie die Geschichte ihrer zehnköpfigen Familie reflektiert.

Die rund achtminütige Videoarbeit "Matchpoint" von 2015 besteht nur aus einer einzigen Einstellung, die die junge Frau selbst beim sogenannten "Tindern" zeigt.
Allerdings benutzt sie die Dating-App, die durch ihre Links- oder Rechts-Wisch-Gesten berühmt geworden ist und wie kaum ein zweites digitales Werkzeug für die Flüchtigkeit und Oberflächlichkeit unserer Bekanntschaften auf der einen Seite und den (zumindest scheinbar) jederzeit verfügbaren Sex auf der anderen Seite steht. Der besondere Clou ist jedoch, dass Şirin Şimşek diese App nicht irgendwo in Köln, sondern im palästinensischen Autonomiegebiet Ramallah nutzt. Da die ihr angezeigten jungen Männer jedoch überwiegend jüdischer Herkunft sind und im benachbarten Jerusalem leben, wird es, bedingt durch die politische Situation und die die Menschen umgebende Mauer, wohl niemals zu persönlichen Treffen kommen. Der Film verdeutlicht die Absurdität der uneingeschränkten Möglichkeiten mobiler digitaler Kommunikation bei gleichzeitiger Unfreiheit.


Für ihre jüngste Arbeit "Hüzün", die sowohl als Buch als auch als Video existiert, ist Şimşek in den Touristenort Side an der türkischen Riviera zwischen Alanya und Antalya gereist. Die Geschichte der Stadt geht bis in die Antike zurück, zahlreiche römische Ruinen zeugen davon. Doch die politischen Unruhen und gesellschaftlichen Umbrüche haben negative Auswirkungen auf den Tourismus in der Region. Gleichzeitig ist es auch eine sehr persönliche Reise der Künstlerin. So zeigt der Einstieg des Films eine Atatürk-Statue in Side und Şimşek spricht den Leitsatz Atatürks aus dem Off: "Ich bin Türke, ehrlich und fleißig. Mein Gesetz ist es, meine Jüngeren zu schützen, meine Älteren zu achten, meine Heimat und meine Nation mehr zu lieben als mich selbst. Mein Ideal ist es aufzusteigen, voranzugehen. O großer Atatürk! Ich schwöre, dass ich unaufhaltsam auf dem von dir eröffneten Weg zu dem von dir gezeigten Ziel streben werde. Mein Dasein soll der türkischen Existenz ein Geschenk sein. Wie glücklich derjenige, der sagt: "Ich bin Türke!"

(Damian Zimmermann in der Jurybegründung)

Das Chargesheimer-Stipendium ist mit 10.000 Euro dotiert und mit einer Ausstellung in der artothek Köln verbunden.


Bewerben können sich professionelle Künstlerinnen und Künstler, die in Nordrhein-Westfalen wohnen oder arbeiten und maximal 35 Jahre alt sind. Die Entscheidung, an wen die Stipendien vergeben werden, trifft für jede Sparte eine Jury aus Sachverständigen. Zu den Jurymitgliedern gehören unter anderem auch die Stipendiatinnen und Stipendiaten des Vorjahres.


Şirin Şimşek (*1983 in Köln) studierte an der Kunsthochschule für Medien Köln von 2013-2017.

2015–2016 Leitung des Kölner Projektraums AGNES MAYBACH mit der Künstlerin Melike Kara.

2015 Künstlerresidenz Turtle Filmfest Island, Hólmavík und Reykjavík.

2006–2012 Studium der Fotografie (Diplom) an der Hochschule Düsseldorf.

Redaktion — Juliane Kuhn
STills aus "HÜZÜN"
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