“Dear Camera...“

„Ich musste unbedingt in das rote Kleid schlüpfen, das mir das Gefühl gibt, ich lebte in einem anderen Jahrzehnt. Insbesondere mit dem Haarknoten oben auf dem Kopf verkörpere ich das klassische Bild einer Frau. Eine Frau, wie du sie aus anderen Bildern kennst. Eine Frau, die sich selbst fotografiert, wie zahlreiche andere Fotografinnen. Gestern noch der festen Überzeugung, dass ich diese Frau im Spiegel nicht mag, so fühle ich mich ihr heute sehr viel näher. Vielleicht kann ich ja doch irgendwann Frieden mit ihr machen.“ Im Werkzyklus „Dear Camera...“ präsentiert Luise Flügge ihre Selbstinszenierungen. Nachdem ihre Arbeit Innenleben (2020), die ebenfalls aus Selbstporträts heraus entstand, als persönlich und biografisch bezeichnet werden kann, steht „Dear Camera...“ im Kontrast dazu für die Weiterentwicklung ihres Blickes und die Reflexion ihrer sozialen Rolle als Frau. Gleichzeitig stößt sie hier auch an ihre Grenzen, denn wie soll sie als Künstlerin, die mit dem eurozentrischen Blick und dem „Male Gaze“ groß geworden ist, außerhalb dieser Konstruktionen denken? Noch liefert die Arbeit darauf keine Antworten, jedoch Bilder, die die eigene Selbstwahrnehmung und den eigenen Blick hinterfragen.