Triptychon

Die Texte bilden die historische Entwicklung dreier Strafrechtsparagraphen ab. Dargestellt ist ihr Werdegang seit ihrer Erstfassung in der Gesetzgebung des Deutschen Reiches 1872 über die Versionen der Weimarer Republik und des Naziregimes bis zu ihrer aktuellen Fassung im Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland. Die Paragraphen 175, 180 und 166 sind hierbei nicht ihrer nummerischen Abfolge nach gehangen, sondern dem Inhalt folgend. So wird der zentrale Paragraph 166, welcher sich in seiner Urform mit der Lästerung Gottes befasst, als religiöses Mittelstück von zwei Paragraphen zur Reglementierung der menschlichen Sexualität flankiert, dem sogenannten Sodomie- oder Homosexuellenparagraphen sowie dem Kuppeleiparagraphen. Bei der Lektüre der Texte fällt auf, dass die Strafwürdigkeit der jeweiligen Handlungen zunächst rein moralisch begründet wird. Die Begriffe Unzucht, Kuppelei und Lästerung erklären sich quasi selbst als strafenswert. Die Säkularisierung und die demokratischen Prozesse führen über die Jahrzehnte zu einer starken Veränderung des Sprachgebrauchs und schließlich auch der Gesetzeslage. Während Kuppelei nur noch im Sinne der gewerblichen Prostitution und in Belangen des Jugendschutzes von Interesse ist, wird der Paragraph 175 ersatzlos gestrichen. Der gesetzliche Schutz des christlichen Gottes wird zu einem Schutz aller Götter und Weltanschauungen. Gemeinsam bilden die Texte ein Triptychon, welches, angelehnt an die bildreich illustrierten Werdegangsbeschreibungen christlicher Altarbilder, den Autoritätsverlust der weltlich agierenden Institution Kirche dokumentiert.