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In
der Mitte des Gartens lagen einige Pflanzen, die bald eingepflanzt
werden sollten. Sie sahen aus wie die Knospe einer Lotosblume,
deren hauchdünneBlätter sehr dicht zusammen geschlossen
waren. Jedoch sah eine davon etwas anders aus. Sie glänzte blutrot.
Ich erschrak, als ich meinen Blick nach unten richtete, weil sie anstelle
der Wurzel den Unterkörper eines Mensch hatte. Aus lauter Angst
lief ich weg.Ich rief meine Mutter, sie drehte sie sich um und schaute mich mit einem
schönen Lächeln an. Darin sah ich ihre unendliche Liebe
und Wärme. `Geben´ ist ein Wort, das ihr ganzes Leben bestimmt,
was ich mir selbst wahrscheinlich niemals vorstellen kann. Trotz ihrer
anstrengenden Arbeiten ging sie manchmal zum 100 Tage-Gebet
Fest in den Tempel, um uns fünf Kindern Gesundheit und ein gutes
Leben zu wünschen. Sie brachte uns immer Reiskuchen mit. Diese
wurden aus Gaben der Gläubigen von den Mönchen gemacht und
wieder an alle Leute verteilt. Die Freude meine Mutter wieder zu sehen,
machten sie besonders lecker. Vor Kurzem ging ich mit meiner Schwester zu der Laterne in den Tempel,
die unsere Mutter für die Familie an Buddahs Geburtstag aufgehängt
hatte und wir beteten lange für unsere Eltern. Nach meiner langen
Abwesenheit von der Familie war es für mich etwas besonderes,
obwohl ich mich eigentlich nicht unbedingt als Gläubige bezeichnen
kann.Vor ein paar Tagen saß ich mit meiner Freundin in der Küche
beim Mittagessen. Als wir gerade anfangen wollten zu essen zwang mich
ein dumpfes Geräusch aus dem Fenster zu schauen. Ich sah einen
Vogel nach unten taumeln.
In diesem Augenblick erinnerte ich mich an das Mädchen in der
grauen Schuluniform, das direkt vor meine Füße fiel. Atemlos
lag sie da, mit gebrochenen Armen und Beinen. Ihr letzter Atem blies
mir in die Haare und berührte meine Nasespitze. Wegen dieser
endlos erscheinenden Stille konnte ich mich kaum bewegen... Sie
fiel aus dem 14. Stock eines Hochhauses.
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Erst nach einer Weile konnte
ich mit zitternden Beinen nach Hause fahren und erst in der Menge
des vollbesetzten Buses konnte ich spüren, dass ich noch lebte
und war dafür sehr dankbar. So konnte ich weiter dem anderen
Leben begegnen und mußte lernen auch von jemandem Abschied zu
nehmen. So verging ein Tag nach dem anderen, um ein eigenes Glück
und eine Existenz zu finden. Ich empfinde oft ein Glücksgefühl beim Essen, besonders wenn
ich ein köstliches Essen vor mir habe. Ich weiß, daß
ich lebe und geniesse diesen Moment. Ich spüre den Geschmack
auf meiner Zunge und lasse ihn in meinem Mund zergehen. Noch immer
begrüßt man sich in Korea unter Freunden zu allererst mit
der Frage Hast Du schon gegessen? Dieser Ausdruck stammt
aus der Nachkriegszeit. Aber ich finde es immer noch schön, den
anderen zu fragen, ob er sich in einem hungrigen, also unglücklichen
Zustand befindet oder nicht. Als ich letztes Jahr Korea kurz vor der
Fußball WM besuchte, konnte ich nicht mehr die Garküchen
auf den Straßen in der Nähe meiner alten Universität
finden. Dort hatten wir zahlreiche Nächte mit Alkohol und Essen
verbracht. Damals gab es viele Demonstrationen gegen das Militätregime,
das für die Ermordung der Gwang-Ju Studenten am 18. Mai 1980
verantwortlich war. Der viele Alkohol verdrängte den Nachgeschmack
des Tränengases. In der Schule las ich einmal eine Kurzgeschichte
Eine Gesellschaft, die zum Alkohol auffordert von Hyuen
Jin-Gen von 1921. Er schrieb über einen jungen intelligenten
Mann, der unter der Japanischen Besatzung in Korea verzweifelt und
daher ständig betrunken ist. Seine Frau fragt besorgt, wer ihn
so betrunken macht. Daraufhin antwortet er, dass die Gesellschaft
ihn dazu auffordert, weil er sie in wachem Zustand nicht ertragen
kann. Ich hätte nicht gedacht, daß so eine Zeit noch einmal
wieder kommen würde. Später konnte ich jedoch hautnah erleben,
was die Aufforderung zum Trinken in unserer Gesellschaft
bedeuten sollte.
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Also
fuhr ich am ersten Mai endlich wieder durch das Stadtzentrum von Seoul.
Ich beobachtete eine Demonstration von Arbeitergewerkschaften, die
zwar von einem erheblichen Aufgebot an Zivilmilitär begleitet
wurde, aber dennoch friedlich verlief. Von da an konnte ich sehen,
daß unsere damaligen Demonstrationen nicht sinnlos gewesen sind.
Aber auf dem Schiff von der Je-Ju Insel nach Wan-Do begegnete ich
einem Schüler, der von einem Schulausflug nach Je-Ju zurückfuhr.
Als er meinen europäischen Freund sah, versuchte er ein Gespräch
mit uns anzufangen. Er interessierte sich sehr für Politik. Und
er fragte uns, ob wir über den Je-Ju Volksmord informiert
seien. Ich wusste nicht wovon er sprach und schämte mich für
meine Unwissenheit. Es ist eine unglaubliche Geschichte, die erst
jetzt nach 50 Jahren ans Licht kam. Wegen der WM Spiele berichteten
viele ausländische Journalisten über Korea, insbesondere
über die Orte, an denen sie statt gefunden haben.
Je-Ju war einer davon. Nach dem Regierungswechsel von Kim
Dai-Jung trauten sich jetzt erst einige Überlebende von der Insel
den Journalisten von der geheimen Geschichte zu erzählen, die
streng verboten und deshalb für sie lebensbedrohlich war. Da
wir uns als Filmemacher vorgestellt hatten, erzählte er sie uns
kurz und fragte, ob wir darüber einen Dokumentarfilm drehen könnten.
Zurück in Deutschland las ich ein paar Tage später einen
langen Artikel darüber in der Zeitung. Ich hatte in der Straßenbahn
begonnen zu lesen und brach in Tränen aus. 26 Jahre lang lebte
ich in Korea und hatte keine Ahnung von dieser grausamen Geschichte.
Je-Ju ist eine idyllische Hochzeitsinsel in Korea, auf die mittlerweile
viele frisch verheiratete Paare fliegen, um dort ihre Flitterwochen
zu verbringen. Aber vor fünfzig Jahren ermordeten hier koreanische
Truppen unter den Augen der Amerikanischen Militärregierung 30
000 Menschen.
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Tötet
alle, verbrennt alles, lautete der Befehl und einige Überlebende
mußten sich 50 Jahre lang verstecken und die Geschichte geheim
halten, weil sie nicht überlebt hätten, so lange die Militärische
Regierung der Amerikaner das Land kontrollierte. Für mich ist
es erschreckend zu wissen, dass sich ähnliche Verbrechen wiederholen
und wir wieder betrogen und nicht darüber informiert werden.
Und wir müssen damit leben ohne etwas dagegen unternehmen zu
können.... Aber was uns Hoffnung gibt, sind die unendlich liebenswürdigen
Menschen um uns... Cha, der sich vor 25 Jahren von der Gesellschaft
zurückzog und in dem Ji-ri Berg ein Atelier und ein Teehaus gebaut
hat. Es ist ein eigenes Paradies, wo er mit seiner Familie und Freunden
lebt. Er schrieb an einen Freund , ....bleibe in schöner
Erinnerung wie ein Frühlingsduft....
Während meiner letzten Reise begegnete ich einem Fischer und
den Eltern eines Freunde in Kroatien. Sie strahlten eine unbeschreibliche
Ruhe und Zufriedenheit aus, ohne viel zu besitzen. Ihr Lächeln
befreite mich in diesem Moment von all meiner Verzweiflung. Ein kroatischer
Freund erzählte mir über eine Oma, die auf einer kleinen
Insel seit über 10 Jahren alleine lebt. Nach demTod ihres Mannes
verließen mit der Zeit alle Bewohner die Insel, sie aber blieb
weiter da. Keiner konnte sie überreden die Insel zu verlassen.
Vielleicht können wir uns gar nicht vorstellen, wie man so alleine
leben kann. Aber manchmal sind wir noch einsamer, wenn wir wie Wahnsinnige
zwischen abertausenden Menschenmassen tanzen -müssen, um zu überleben.
Vielleicht kommt das Gefühl Einsamkeit aus unserer
eigenen Einbildung. Wie schön wäre es, wenn ich wirklich
ein Moment `ich´ vergessen könnte, um mich von diesem
Mißverständnis zu befreien...
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