Vertigo - Aus dem Reich der Toten
Krimi-Klassiker 122 Min. USA ,1958

Regie: Alfred Hitchcock
Drehbuch: Alec Coppel, Samuel Taylor
Musik: Bernhard Herrmann

Darsteller:
John "Scottie" Ferguson - James Stewart
Madeleine Elster/Judy Barton - Kim Novak
Midge Wood - Barbara Bel Geddes

Gavin Elster - Tom Helmore
Leichenbeschauer - Henry Jones
Doktor - Raymond Bailley
Hotelmanager - Ellen Corby

Ein wegen Höhenangst aus dem Polizeidienst ausgeschiedener Detektiv verliebt sich in die neurotische Frau eines Schulfreundes, die er überwachen soll. Als sie sich von einem Kirchturm stürzt, fühlt er sich an ihrem Tode schuldig. Später begegnet er einer Doppelgängerin der Toten und muss schliesslich feststellen, dass er einem Täuschungsmanöver zum Opfer gefallen ist.

Ferguson leidet an Akrophobie, er hat Angst vor Höhen. Einen seiner Kollegen hat dieser Umstand bereits das Leben gekostet. Danach mußte Scottie seinen Job als Ermittler bei der Polizei von San Francisco aufgeben und seinen Lebensunterhalt als Privatdetektiv verdienen. Gavin Elster, ein alter Freund, bittet ihn, seine extrem selbstmordgefährdete Frau Madeleine zu beschatten, um sie vor sich selbst zu schützen. Madeleine glaubt, sie werde von dem Geist ihrer Urgroßmutter verfolgt, die sich im Alter von 26 Jahren umbrachte, nachdem ihr rücksichtsloser Ehemann ihr das Kind genommen hatte. Das Drama ereignete sich 1857, also vor genau 100 Jahren.

Scottie verfolgt Madeleine quer durch die Stadt und rettet ihr bei einem Selbstmordversuch das Leben. Die Folge: Scottie verliebt sich in Madeleine. Als sie auf einen Kirchturm steigt, kann er ihr wegen seiner Höhenangst nicht folgen. Scottie hört nur noch einen markerschütternden Schrei und sieht, wie ein Körper aus dem obersten Stockwerk des Turms stürzt.

Noch Monate später geht ihm seine verlorene Liebe nicht aus dem Kopf. Bei einem seiner ziellosen Spaziergänge durch die Stadt sieht er eine Frau, die ihn ungeheuer an die totgeglaubte Madeleine erinnert. Doch ihr Name ist Judy Barton, und von einer Madeleine hat sie noch nie etwas gehört.

Die beiden lernen sich näher kennen, und der Detektiv bringt Judy dazu, der vermeintlich Toten immer ähnlicher zu sehen. Schließlich erkennt er, daß seine neue Freundin tatsächlich die Frau ist, die er damals verfolgte. Ihr Tod war nur vorgetäuscht. Gavin Elster brauchte nur einen Vorwand, sich seiner Ehefrau, der richtigen Madeleine, zu entledigen. Aus der Zeitung hatte er von Scotties Höhenangst erfahren. Daraufhin wählte er sich den Ex-Polizisten als idealen Zeugen für den "Selbstmord" seiner Frau aus. Mit einem hatte er jedoch nicht gerechnet, damit, daß sich der Lockvogel in seinen Verfolger verlieben könnte. Scottie und Judy fahren ein zweites Mal zu dem einsamen Kirchturm.

Hitchcocks Meisterwerk "Vertigo" (für Ausstattung und Ton gab es Oscar-Nominierungen) war 1958 seiner Zeit weit voraus. Der düstere Thriller spielte seine Kosten zwar ein, war - und das mit zwei Hollywood-Top-Stars auf dem Höhepunkt ihrer Karriere und einem der gefeiertsten Regisseure seiner Zeit - bei Kritikern und Publikum aber eher eine Enttäuschung.

In den 60er Jahren wiederentdeckt, 1984 noch einmal groß wiederaufgeführt und 1996 in der aufwendig restaurierten 70mm-Fassung noch einmal in die Kinos gebracht, gehört der Film heute zu den am meisten diskutierten, zitierten und analysierten der Filmgeschichte. Und zu den besten: dank der trickreichen Kameraarbeit, Hitchcocks Detailbesessenheit, die hier noch größer war als sonst, der außergewöhnlichen schauspielerischen Leistungen, des ungewöhnlich langsamen Tempos des Films, der großartigen Kostüme von Edith Head und natürlich der außergewöhnlich komplexen Beziehungen und Themen: Romantische Ausbeutung und Selbstverleugnung, Haßliebe, die Frau als Trugbild, ein Mann der Macht ausüben will und die Fantasie der Realität vorzieht.

Die Entscheidung, das Publikum schon zu Beginn des zweiten Teils von "Vertigo" und nicht erst - wie in der Romanvorlage - gemeinsam mit dem Helden am Schluß des Films wissen zu lassen, daß Judy tatsächlich Madeleine ist, brach damals jede dramatische Regel. Heute kennt der Zuschauer - nicht zuletzt dank Hitchcock - fast immer vor dem Held die Identität des Schurken.

Hitchcock: "Wir haben also einen Suspense, der sich auf die Frage stützt: Wie wird James Stewart reagieren, wenn er erfährt, daß sie ihn belogen hat und in Wirklichkeit Madeleine ist? Das war unser Hauptgedanke. Außerdem hat der Film eine zusätzliches Interesse, weil man Judys Widerstand dagegen, wieder Madeleine zu werden, spürt. Im Buch ist sie ein Mädchen, das sich sträubt, sich zu verändern, das ist alles. Im Film sehen Sie eine Frau, die merkt, daß der Mann sie langsam demaskiert.

"Ebenso falsch wie die Kritiker damals lag Hitchcock selbst mit seiner Einschätzung von Kim Novak, die für den Regisseur nur zweite Wahl gewesen war, weil Vera Miles, die er mit "Vertigo" zum Star machen wollte, schwanger war. Der Regisseur mäkelte immer ein bißchen an seiner Hauptdarstellerin herum ("Wenigstens hatte ich Gelegenheit, sie ins Wasser zu werfen."), aber sie erstaunte mit der wahrscheinlich besten Leistung ihrer Karriere alle Beteiligten.

Kim Novak: "Als ich zum ersten Mal die Zeile las ''Ich will, daß du mich um meinetwillen liebst'', konnte ich mich damit identifizieren! Genau das hatte ich gefühlt, als ich als junges Mädchen nach Hollywood kam. Sie wollen dich komplett verändern. Sie machen dein Haar, dein Makeup, und es war immer so, als müßte ich kämpfen, um etwas von meinem wirklichen Ich zu zeigen."