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Die Hersteller dieser Spiele betrachten das übrigens nicht als Erhalt digitalen Kulturguts, sondern benutzen einen wesentlich unfreundlicheren Namen: Piraterie. Ob der Vertrieb von alten, vergessenen Spielen im Internet gegen geltendes Recht verstößt, ist indes noch nicht endgültig geklärt. Die Fans von Abandonware, die neben Spielen auch alte Versionen von Programmen wie McAffee-Anti-Virus-Programmen oder dem Norton Disk Doctor anbieten, argumentieren, dass sie lediglich Software unter die Leute bringen, die sonst nicht mehr zu bekommen ist. Amerikanische Software-Archivare aus der Abandonware-Szene können sich ausserdem darauf berufen, dass früher vielen Spielen Garantiescheine beilagen, die Gratisersatz versprachen, wenn die Spiele-Disketten nicht mehr funktionierten. Wer heute in den Softwareschmieden um Ersatz bittet, findet häufig nicht mal mehr einen Angestellten, der sich an das betreffende Spiel auch nur erinnern kann. / 8bit-Museum
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Culture Museum Hildesheim /.. Doch während diese Spiele im WorldWideWeb noch erhältlich sind, ist das Medium, das verspricht, ein Speicher des gesamten Menschheitswissens zu sein, vom totalen Geschichtsverlust bedroht - das Internet ist schon qua seines inzwischen erreichten Umfangs kaum zu archivieren. Die aspirierenden Herausgeber der Briefwechsel von Künstlern oder Autoren werden in Zukunft in ein gähnendes schwarzes Loch blicken: Leider sind die E-Mails der grossen Köpfe unserer Zeit irgendwann mal einem Upgrade des Betriebssystems zum Opfer gefallen oder von der vollen Festplatte gelöscht worden. Und die Informationen, die heute als HTML-Dokumente im WorldWideWeb zu finden sind, können schon morgen spurlos vom Server genommen worden sein. Die grauen Seiten der Frühzeit des WWW mit ihrem schwarzen, unformatierten Text ohne Bilder oder Animationen sind inzwischen schon fast verschwunden - wie eine vom Aussterben bedrohte Tierart. Wer eine der grauen Pages aus der Steinzeit des Netzes sehen will, muss heute lange suchen - oder sich auf die "Dejavu"-Website von Pär Lannerö begeben. Der schwedische Programmierer hat einen Browser-Emulator entwickelt, der nostalgische Nutzer wie anno 1993 in einem farblosen Web herumsurfen lässt. In seinem "Club der toten Browser" öffnet sich auf Mausklick lang vergessene Software wie NSCA Mosaic - das erste Web-Programm überhaupt - oder Hot Java. Die alten Browser können auch Pages von heute darstellen, doch statt knallbunten, flackernden Seiten zeigen sie nur stille graue Flächen. Wenn es ein Netz-Museum gäbe, wäre "Dejavu" die Abteilung für Vor- und Frühgeschichte. Verdienstvollerweise hat Lannerö auch einige der frühesten Websites - wie zum Beispiel eine erste eigene Homepage von Yahoo! oder die Seite, auf der Sun Microsystems die Programmiersprache Java angekündigt hat - aufbewahrt, sodass die staunenden Nachgeborenen sie sich durch die "Brille" eines Uralt-Browsers ansehen können. Ja, Kinder, so war das damals. Das Internet ist in seiner Frühzeit oft mit der Bibliothek von Alexandria verglichen worden, die in der Antike das gesamte Wissen der Epoche gespeichert haben soll. Der Vergleich ist treffender, als man sich das vor einigen Jahren noch gedacht hätte - bekanntlich ist die Bibliothek von Alexandria abgebrannt. Heute kokelt das WorldWideWeb auf kleiner Flamme vor sich hin. Fast keine historische Homepage von 1994 hat das Jahr 2000 erlebt. Wichtige Internetprojekte wie die Berliner "Kulturbox" oder die "Internationale Stadt" sind aus dem Netz verschwunden, ohne eine Datenspur zu hinterlassen. Und keines der Internet-Startup-Unternehmen, die in der nahen Zukunft pleite gehen werden, wird vorher noch schnell seine Website der nächsten Nationalbibliothek vermachen. Und wenn sie es doch tun würden, wüsste dort niemand etwas damit anzufangen. |