diesinnlichemaschine

Die sinnliche Maschine
Ray Kurzweill

Ray Kurzweil ist Wissenschaftler, Unternehmer und Erfinder, er beschäftigt sich mit Spracherkennungssystemen, schreibt aber auch Bücher. Im März 2000 erhielt Kurzweil aus Bill Clintons Händen die Nationale Medaille für Technologie, und zwar für seine Pionierleistungen und innovativen Entwicklungen im Bereich der Computerwissenschaft. In "Die sinnliche Maschine" prophezeit er uns die Virtualisierung des menschlichen Körpers

Das erste mit beweglichen Lettern gedruckte Buch mag die Bibel gewesen sein, doch bereits in dem Jahrhundert nach Gutenbergs epochaler Erfindung gab es einen lukrativen Markt für Bücher mit weitaus lasziverem Inhalt. Neue Kommunikationstechnologien wie Telefon, Film, Fernsehen oder Video haben sexuelle Themen schon immer schnell aufgegriffen. Das Internet bildet da keine Ausnahme, und der Umsatz mit erotischer Unterhaltung im Web wird von Forrester Research auf 185 Millionen Dollar und von Inter@ctive Week auf eine Milliarde Dollar geschätzt. Diese Zahlen beziehen sich auf größtenteils männliche Kunden, die die Darstellerinnen und Darsteller im Internet live, aufgezeichnet und simuliert ansehen und mit ihnen interagieren wollen. Laut einer Schätzung von 1998 gibt es 28.000 Websites, die sexuelle Unterhaltung anbieten. Diese Zahl schliesst die Paare nicht mit ein, die ihren Telefonsex dahingehend erweitert haben, das sie sich online per Videokonferenz mit bewegten Bildern vergnügen. CD-ROMs und DVD-Disks sind eine weitere Technologie, die der erotischen Unterhaltung dienstbar gemacht wurde. Während die Masse der Erotik-CDs für Erwachsene noch als Träger von Videos dient, die mit etwas Interaktivität aufgepeppt sind, werden in einem neuen Genre virtuelle Geschlechtspartner präsentiert, die auf mausgesteuerte Liebkosungen reagieren.

Wie die meisten technischen Errungenschaften der ersten Generation besitzen auch diese CDs noch keine überzeugende Qualität, doch bei künftigen Generationen werden die technischen, wenn auch nicht die moralischen Mängel des neuen Mediums weitgehend ausgemerzt sein. Die Entwickler arbeiten auch daran, die Force-Feedback-Maus* so einzusetzen, das man einen gewissen Eindruck davon bekommt, wie sich der virtuelle Partner anfühlt. Gegen Ende des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts wird man dank der virtuellen Realität mit einem Liebhaber, einer Sexarbeiterin oder einem simulierten Partner auditiv und visuell völlig real zusammen sein können. Man wird mit seiner Partnerin alles tun können, außer sie zu berühren - eine zugegebenermassen gravierende Einschränkung. Die virtuelle Berührung wird zu diesem Zeitpunkt zwar bereits eingeführt sein, aber das allumfassende, hochrealistische, visuell-auditiv-taktile virtuelle Environment wird erst in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts bis zur Vollendung perfektioniert sein. Ab diesem Zeitpunkt wird der virtuelle Sex zum realen in echte Konkurrenz treten. Paare werden unabhängig von ihrer realen Entfernung virtuellen Sex haben können. Und selbst wenn sie sich nahe sind, wird der virtuelle Sex in mancher Hinsicht besser und auf jeden Fall sicherer sein. Virtueller Sex wird Gefühle vermitteln, die intensiver und angenehmer sind als beim konventionellen Sex, und er wird körperliche Erfahrungen vermitteln, die heute noch unbekannt sind. Natürlich ist der virtuelle Sex auch der ultimativ sichere Sex, da kein Schwangerschafts- oder Infektionsrisiko besteht.

http://www.wired.com/wired/archive/8.04/joy.html
"Why the Future doesn't Need Us" in Wired

http://www-user.tu-cottbus.de/~kohlbfl/i_scenario/kurzweil.htm
Interview mit Ray Kurzweil in deutscher Sprache

/01 /02 /03