Räuberhöhle
David S. Bennahum

David S. Bennahum ist Jahrgang 1968 und bekam mit zwölf Jahren seinen ersten Computer - einen Atari 800. Inzwischen hat er einige Jahre als Schreiber so rennomierter Magazine wie Wired, Spin oder I.D. auf dem Buckel. "Extra Life" ist Bennahums erster Roman. Darin holt er uns zurück in die Zeit, in der Spiele wie "Pong" die Jugendzimmer beherrschten und die Kämpfe um "Extraleben" ihren Anfang nahmen. Lesen Sie hier den Einstieg in Bennahums Frühgeschichte der digitalen Kultur.

Der erste Computer, den ich je besessen habe, hat zehn Jahre lang in einem braunen Karton gelagert. 1986, kurz vor Abschluss der High School und nach einem Machtkampf, der die Ehe meiner Mutter trotz allem nicht beendete, zog ich bei ihr und meinem Stiefvater aus und lebte von da an bei meinem Dad. Als ihr klar wurde, das ich nicht zurückkommen würde, packte Mom meine ganze Habe zusammen, brachte sie in einem Lagerhaus in Queens unter, nur eine Meile von der Brücke an der 59. Strasse entfernt, und schuf damit eine Zeitkapsel, eine Momentaufnahme meines Lebens. Dort blieben die Sachen, den Extremen von Hitze und Kälte ausgesetzt, bis zu einem Morgen im April 1996, als ich den East River überquerte, um sie zurückzufordern.

Draussen war ein klarer Tag, doch die Gänge des Lagerhauses lagen im Dämmerlicht. Seite an Seite standen lange Reihen von Metallcontainern, alle mit Vorhängeschlössern gesichert, eine Zwischenstation für ausrangierte Schätze, die keinen Platz mehr hatten im Leben ihrer Besitzer, jedoch mit zuviel Erinnerungen verbunden waren, um sie gleich als Sperrmüll an den Strassenrand zu stellen. Es war ein in der Zeit erstarrter Ort, an dem Kinder die Besitztümer ihrer Eltern finden und Eltern die Sachen ihrer Kinder lagern.

Mein Computer hätte auf den Müll gehört, in die Abfalltonne der technologischen Geschichte wie alle anderen elektronischen Geräte, die nicht mehr mit den neuesten Upgrades Schritt halten können, aber ihn auf den Müll zu werfen, wäre dem Einschläfern eines geliebten Tieres gleichgekommen. Und doch hatte ich genau das getan, hatte meinen alten Gefährten, zusammen mit dem Rest meiner Habseligkeiten, dem Schicksal überlassen. Als ich mit meiner Mom auf der Suche nach Container 10 C 4 den Gang des Lagerhauses entlang ging, dachte ich: Wird er noch funktionieren? Werden die Disketten noch lesbar sein? Werden die Laufwerke noch anspringen, werden die Silikon-Mikroprozessoren den Strom von einem Schaltkreis zum anderen transportieren? Oder sind die gedruckten Schaltkreise und der Lötzinn inzwischen korrodiert, zerstört durch die Zeit und die Launen des Zufalls - heisse Sommer und kalte Winter, in denen sich das eine oder andere lebenswichtige Teil ausdehnt und zusammenzieht, bis es seine Grenzen erreicht und die Maschine zu einem wertlosen Haufen Müll macht?


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