Arkadien 2.0
Laboratorium für Fusionspappeln und Energieplantagen

Text: Sandra Rademacher/ Galerie Brigitte Schenk/ Klaus Fritze für GLOBALE EXOEVOLUTION im ZKM Karlsruhe (2015)

Das Labor, das der Künstler Klaus Fritze, Absolvent der KHM, Köln und promovierter Molekularbiologe entwirft, zeigt ein „Arkadien 2.0“. Dies ist die Projektion einer schöneren, heileren Welt, in der die Energiewende nicht das noch zu erreichende Ziel, sondern die zum Greifen nahe Wirklichkeit geworden ist. Arkadien 2.0 ist eine Reflexion über Konsens und Dissens mit der Ökologiebewegung; sie greift die fruchtbaren Ansätze auf wie auch deren Eskapismus.

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Arkadien 2.0 ist: „Fusionspappeln“ und „Energieplantagen“:
Kulturgeschichtlich haben Pappeln, dezent und bescheiden, ihren Platz in Arkadien, dem Sehnsuchtsort einer von Künstlern und Intellektuellen entworfenen Welt, gefunden. Tatsächlich werden sie, so alt und weit verstreut sie als Kulturbegleiter allerortens auch sind, meist erst beachtet, wenn Wolken von weiß behaarten Pappelsamen durch die Lüfte fliegen. Sie sind aber reale Hoffnungsbäume, sind für schnelleres Wachstum und effektive Umwandlung von Sonnenenergie und CO2 in Biomasse zuständig. In sogenannten Kurzumtriebsplantagen sollen sie in kurzer Zeit mit möglichst wenig agronomischem Aufwand „Fastwood- Biomasse“ liefern.

Arkadische Bäume und Plantagen sollen in „Arcadien 2.0“ für eine bessere Welt ohne Rohstoffkriege und Klimaerwärmung durch einseitige Verbrennung fossiler Rohstoffe stehen.
Durch Evolution und Züchtung gibt es bereits zahllose Pappelarten mit speziellen Wuchseigenschaften. Die Herausforderung für das Laboratorium besteht darin, neue Pappelzüchtungen bereitzustellen, die möglichst viel Gutes aus den verschiedenen Arten miteinander vereinigen, um Natur und Evolution schneller an die wachsenden Herausforderungen unserer Kultur und Technik anzupassen. Durch neuartige biotechnische Verfahren können Artgrenzen bei der Züchtung von Nutzpflanzen überwunden werden. Die Zellfusion 1 im elektrischen Feld kombiniert und tauscht die genetischen Informationen solcher Pflanzenarten sehr effektiv miteinander aus. Die „natürliche“ Gangart durch Kreuzung könnte sich solche Ergebnisse nie zu eigen machen.
Klaus Fritze führt solche Experimente mit verschiedenen Pappelarten durch. Aus Knospen, Blättern oder kleinen Zweigen von Pappeln lassen sich Explantate präparieren, die auf keim-freien Nährmedien weiterwachsen. Aus den Blättern solcher steriler Bäumchen, die in Einmachgläsern oder Petrischalen wachsen, können Züchtungsforscher wie Klaus Fritze einzelne zellwandlose Zellen gewinnen. Diese Protoplasten, in ein elektrisches Feld 2 verbracht, verschmelzen miteinander. Vermischt man nun die Zellen zweier Bäume, entstehen Hybridzellen 3, in denen sich das Erbgut zweier Bäume vermischt.
Die Arbeit von Klaus Fritze ist längst begonnen. Im Laboratorium rekonstruiert er einen Erforschungs- und Züchtungsprozess für innovative, arkadische Fastwood- Bäume.

 

1. Als Zellfusion (auch Zellverschmelzung oder Synzytose) wird die Verschmelzung der Plasmamembranen zweier Zellen bezeichnet. Sie gehört zu den Methoden der so genannten grünen Gentechnik. Sie kommt spontan vor, kann aber auch in Petrischalen durch elektrische Impulse oder Polyethylenglykol herbeigeführt werden Sofern lediglich die Zellmembranen verschmelzen, besitzt die so entstehende Hybridzelle zwei Zellkerne, sie wird Heterokaryon (Cybride) genannt. Fusionieren auch die Kernmembranen, entsteht eine Zelle mit nur einem Kern, aber dem vierfachen Chromosomensatz. Dieses Tetraploidie genannte Phänomen kommt bei Pflanzen häufiger vor bzw. wird durch züchterische Methoden bei Kulturpflanzen zur Ertragssteigerung gezielt bewirkt.
2. Bei der Elektrofusion wird mittels elektrischer Pulse die Zellmembran lokal „aufgeschmolzen“ (vgl. Elektroporation), wodurch eine Verschmelzung der Zellmembranen erreicht wird.
3. Hybridzelle [von *hybrid- ], Verschmelzungsprodukt zweier einzelner Zellen. Erstes Verschmelzungsprodukt ist ein Heterokaryon (Heterokaryose), bei dem die beiden Zellkerne noch nicht verschmolzen sind. Durch die Methodik der sterilen Gewebekultur auf Nährmedien und Zugabe von Pflanzenhormonen kann die Zellteilung der Hybridzellen und ihre Regeneration über Kallusgewebe zu ganzen Pflanzen (hier Bäumen) erzielt werden.

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Komponenten der Arkadien:

-2.0 Installation / Laboratorium Fusionspappeln und Energi-plantagen:
-Auditive Marker: Interviewsequenzen (wählbar)
-Visuelle Marker: Photokollagen und ggfs. Videosequenzen (ohne Ton)
-Taktile Wahrnehmung: Nutzbarkeit einzelner Installations- Laboratoriumselemente
-Authentisches Genlaborszenario in Inselarchitektur mit:
-Steriler Werkbank -> Inszenierung

-Laborstuhl, Anzuchtsbeet, Feuchtzelt, Regal mit Pappelpräparaten – Behälter z.B. Weckgläser: diverse „Zellkulturen“, Pflanzstadien, Mikroskop etc. -> entspr. Mikroskopische Abbildungen entweder Print / und oder Videoinstallation /- sequenzen , Gewächshausbeleuchtung (Tageslichtlampen).

Courtesy: Galerie Brigitte Schenk, Cologne (2015). Mit wissenschaftlicher Unterstützung durch Phytowelt GmBH, Dr. Peter Welters, Dr. Renate Lührs, Nadia Efremova, Angelika Krull, Prof Matthias Fladung

Text: Sandra Rademacher/Galerie Brigitte Schenk/Klaus Fritze/ZKM Karlsruhe

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