Reiseschrift ^

1.5.1998
2.5.1998
3.5.1998
4.5.1998
5.5.1998
6.5.1998
7.5.1998
8.5.1998
9.5.1998
10.5.1998
11.5.1998
Irgendwann

 

1.Mai 98 ^

Heute habe ich die Schwelle meines Elternhauses übertreten. Bin zum Oberhöseler Kreisverkehr gelaufen. Innerhalb von Minuten mitgenommen nach Breitscheid. Dort ausgestiegen, angesprochen von einer Dame geht es dierekt weiter bis Raststätte Ohliger Heide. Tip vom Fahrer: Weißes T-Shirt, guten -> sauberen Eindruck machen. Nach ein paar Minuten sitze ich wieder im Auto. Man muß sich Autobahnen wie Blutbahnen vorstellen. Man tritt aus der Zellwand aus und wird mitgenommen. Auf der Autobahn gelten andere Gesetze der Dynamik. Hier ist Bewegung Normalität. Der Wunsch des Anhalters nach Fortbewegung bestätigt den Fahrer. Er ist daher willkommen.

Medenbach vor Frankfurt

Raststätte kurzer Halt: Wasser ausgegeben bekommen. Schmeckte ein bißchen nach Säure und Sprite. Cafe + Wasser = 7.80

Hätte ein Zelt geliehen bekommen. Habe ein schlechtes Gewissen wenn ich auf der Raststättentoilette kein Geld geben kann.

"Das letzte Hemd hat keine Tasch", Vater von Michael Blakout.

Raststätte vor Basel: 3 Bananen, 1 Möhre, 1 Avokado, 1 Wani. Esse aus langweile. Es regnet draußen, warte drinnen im Cafe. Franzosen bringen mich an die deutsch-französische Grenze. Von dort geht es weiter mit einem 49 ger Jahrgang runter zu den Pyrinäen.

2.5.98 ^

Der 49 ger ist wacker gefahren. In Narbonne ist's für mich zuende. In der Zwischenzeit habe ich das Mittelmeer gesehen. Er gib mir ne Banane aus. Ich versuche nachts weiterzukommen, aber es ist aussichtslos. Also habe ich mich bis zum morgen hingelegt.

Landschaft hat sich total verändert. An der Raststätte wächst wilde Kamille, Mohn. Gelbe und lilafarbene Tupfer an den Straßenseiten. Unterschiedliche Grüne auf braunen Grass über grauen Stein unter graublauen Himmel. Weiße Gipfel in den Wolken, die Pyrinäen. Habe einen halben Tag in Perpignan verbracht. Zwei deutsche haben schließlich Gnade gehabt und mich zu einem Touricenter "Lloret de Mar" gebracht. Langsam wird die Sache ernst. Habe nur noch Wasser übrig. Habe zwei Zeichnungen a 500 Pesetas gemacht. Erdbeeren, 2 Pflaumen, Kilo Bananen.

Komme per Anhalter kaum weiter. Bin viel gelaufen. Bin bis kurz hinter Blanes gekommen. Meine Schuhe machen mir Probleme, mein kleiner Zeh scheuert gegen den Nachbarn. Mein Nachtplatz heute: ein kleines fruchtbares Tal. Es wimmelt von Insekten. Ich esse Kellerasseln und Grünzeug. Auf dem Weg habe ich Datteln von einer Palme geplückt. Ein Spanier hat sich köstlich amüsiert. Zecken? Wolken am Himmel. Hat heut mehrfach geschüttet.

3.5.98 ^

Es hat nicht geregnet. Bin vorerst von Blanes zur A19 gelaufen und darauf weiter bis zur Raststätte. Keiner fährt die Raststätte an und diejenigen die halten, halten nicht wegen mir. Ich habe eine Erkältung. Nachts ist es kalt und die Straßenluft kratzt. Heulen hilft hier nicht.

Habe einen Tschechen getroffen. Er ist 20 Jahre. Er hat mir vorgerechnet, daß die Lebenshaltungskosten in Spanien höher als in Tschechien sind. Er schlägt sich durch. Ist beklaut worden. Selbst den Schlafsack zerschlitzt und Schuhe geklaut. Bin bis jetzt nur gelaufen. Habe unterwegs unreife Bohnen vom Feld geklaut und Datteln unter einem Baum gesammelt. Scheint so, als müßte ich in den Süden laufen. Spanier nehmen einen nicht mit. Zum zeichnen komme ich nicht.

Bin in Calella. 15 Km zu Fuß. Heute war Sonntag. Vielleicht wird man Wochentags besser mitgenommen. Die Tauben Gurren genauso wie in Deutschland. Augen brennen.

Sonntagsspaziergänger. Eine Kletterwand am Sandstrand. Eine junge Spanierin meint, daß ich Probleme habe, weil ich in Catalanien bin. Die Leute wollen unabhängig weden. Habe Algen und sehr kleine Mießmuscheln gegessen. Bin heute ohne Geld ausgekommen.

4.5.98 ^

Letztes Geld ausgegeben: 4 Bananen, 1 gute Birne geklaut, 1 schlechte vom Boden aufgelesen, genauso wie 2 Erdbeeren. 1 Erdbeere von Niederländer erfragt. Datteln vom Baum geworfen. Wasser kriege ich von Brunnen. Ein paar Kräuter auf dem Weg. 2 Mandarinen von einem Garten. Hört sich nach viel an.

Kilometermäßig habe ich einen Sprung nach vorne gemacht. Bin von Calella bis zum nächsten Ort gelaufen, von da bin ich schwarz mit dem Zug nach Barcelona. Auf der Rambla hab ich Porträts zeichnen wollen. Ein kleiner Junge hat sich meine Zeichnungen angeguckt, eine alte vornehme Dame hat sie gelobt. Das wars. 140 Pesetas habe ich an einen dummen Bus verschwendet. Ein deutscher Jugendlicher antwortete auf meine Frage nach 100 pts: "Das schafst du auch so." Er hatte Recht. Zum Placa de Espagna gelaufen. Durch die Schranke zur Metro geflutscht, als die Kassiererin mit jemand anderen beschäftigt war. An der Endstation "Feixa Larga" habe ich es nochmals an der Autobahn an einer Tanke probiert, lachhaft.

Bin in einen Bus eingestiegen. Habe erstmal umständlich mein Portemonai gesucht, bis er losgefahren ist. Meine 50 pts. wollte er dann auch nicht mehr haben. So hat er mich vor Castedefells an irgendwelchen Campingplätzen rausgelassen. Bin wieder am Meer. Am Zaun paar Früchte abgezwackt. Über mir die Flieger vom Flughafen in der Nähe.

Ein Holländer hat mich angesprochen. Hat mir einen Apfel und Zwieback gekauft. Das Zwieback hab ich nicht angenommen. Hab ihn gezeichnet und das Bild gegeben. Er war so überrascht, hat mir sein restliches Geld gegeben (50 pts.). Den Apfel habe ich gemütlich gegessen. Als ich ne Wasserstelle suchen wollte, kam er mir mit einem Fahrrad entgegen. In der Hand eine Tüte, darin: 2 Äpfel, 2 Kiwis. Und schon war er wieder weg.

Heute Norbert getroffen. Hustet raucht und hört neben mir Radio. Er schlägt sich seit ein paar Monaten durch.

Gut: Bahn Etappenweise mit Rausschmiß.

Schlecht: Je weiter südlich desto schwerer wirt es.

5.5.98 ^

Habe Alpträume. Wenn ich dann aufwache und merke wo ich bin, weiß ich nicht was besser ist. Habe einen Schlachtplan entwickelt. Morgens Bahn fahren, mittags Touris zeichnen, abends Essen suchen + schlafen.

Leute werde ich dierekt ansprechen, ob sie mir Modell sitzen und wenns fertig ist, frage ich sie ob sie es haben wollen.

Abends fliegen zuerst die Vögel und jagen Insekten, dann können die nichts mehr sehen. Jetzt ist's die Zeit der Fledermäuse. Wenn die satt sind muß man noch a bissel warten, dann isset zu kalt für die Mücken.

Habe 116 pts. Solange ich noch solche Haufen scheiße, muß ich mir keine Sorgen machen, daß ich zu wenig zu essen kriege. Habe mir von Norbert ein Bettelschild abgeschrieben.

Zug nach Vilanova. Spielen immer Klassiker der Klassik. Ich habe üble Angst vor Autoritäten. Was kann mir schon der Schaffner tun? Ich will diese Konditionierung brechen. Ich muß in meiner Kinkheit heftig geimpft worden sein. Wie kann ich wissen, ob nicht mein ganzes Verhalten verseucht ist. Es jetzt einen Apfel zur Beruhigung, auch eine Konditionierung. Liebe = Essen. Bin St. Vincent ausgestiegen um einen Zug nach Tarragona zu nehmen. Ich bin froh, daß ich die Kette mit Kreuz um den Hals habe. Und das als Atheist. Diese vorm von Gottvertrauen ist mir auch aus meiner Kindheit bekannt. Damals habe ich gebetet. Und das tue ich wieder. Ist Gott eine Autorität? Ich glaube es gibt so etwas wie ein Urvertrauen in die Natur. Christen würden das vielleicht als Schöpfung bezeichnen (Bergpredigt Jesus). Im Normalfall hat es die Natur für die Tiere eingerichtet. (der Henker ist mit im Zug immer noch oder schon wieder Herzklopfen) Sie leben in den Tag hinein.

Textanalyse:

Natur hat eingerichtet.

Gott hat geschaffen. ähnlich, nicht?

Ich habe Recht mein Kreuz zu tragen. ( der Zug fährt los. Ich will endlich mal wissen, wie es ist aus dem Zug rausgeschmissen zu werden). Wenig Touris im Zug, keine.

Ich glaube mein Experiment ist falsch. Die Spanier sind arm. Sie anzubetteln ist falsch. Ich bin nicht wirklich bedürftig. Ich könnte ja weiterhin von dem Geld meiner Eltern leben. Ich bin eine feige Sau.

Die Touristen reagieren aber auch extrem unwirsch.

Moralischer Tiefstand. Jugendliche Spanierinnen auf Exkursion haben mich umrundet und sich mit mir unterhalten. Ich habe eine alte Spanierin gezeichnet und sie hat sich die schlechte Zeichnung angeguckt und für toll befunden und meine Augen und meine Ausstrahlung bewundert. Ähnliches fanden die Spanierinnen. Ich habe die 16-17 jährigen Mädchen sogar nach Geld gefragt. Ein Mädchen wollte meine Addresse, dafür habe ich as letzte 1/3 Apfel genommen. Vielleicht ist der einzige moralische Beruf der Welt Gärtner. Denn das, was die Menschen wirklich brauchen ist nur ein bißchen Obst und Gemüse. Ich habe mir vorerst das Ziel gesetzt so schnell wie möglich nach Granada zu kommen und das Experiment abzubrechen. Mit Geld oder besser ohne Versorgungsängste, habe ich vielleicht Augen für die Menschen um mich herum und nicht nur für mein kümmerliches Selbst.

Kreislaufprobleme. Vielleicht nur eine Phase der Schwäche. Touristensaison ist in 1-2 Monaten, vielleicht hätte ich dann eine Chance gehabt.

Das Land wird immer trockener. Kann draußen wahrscheinlich nichts mehr finden. Vielleicht ist das Zugfahren Schuld. Zeit zum blöden nachdenken. Beim wandern Gefundenes befriedigt doppelt. Eigentlich will ich mir gar nicht mein Essen durch Geld verdienen. Ich will es sammeln.

Kurz vor dem Schaffner rausgesprungen in Hospitalet del Infante. Ein paar Meter gelaufen, schon sieht die Welt viel besser aus. Habe Früchte aus Gärten gepflückt ( Datteln und was gelbes, fruchtigs) und eine Besonderheit gefunden, Johannisbrot. Zuerst nur im grünen Zustand, nur für Tiere, wie mir ein Spanier erklärte und später sogar Schwarze. Vielleicht von der letzte Saison. Danach Strand, Pimmel und Arschritze waschen. Tiefer als Taille wollte ich nicht. Achselhöle mit der hohlen Hand. Bißchen ausgeruht, nackt, da Strand allein.

Bin losmarschiert, natürlich Richtung Süden. Auf meiner Karte soll es nach diesem Ort auf den nächsten 100 km. keinen anderen geben. An einem Felsen sammle ich mir ein par Miesmuscheln. Sind größer als die vom letzten mal. Also auch älter. Leider muß ich bald auf einer Schnellstraße laufen. Mein Ausbruchversuch in die Berge wird durch Dornenstiche belohnt. Ein zweiter führt mich auf ein Feld mit Johannisbrot. Zuerst versuche ich noch die Erde zu entfernen. Dann muß ich über mein Hygienefummel lachen. Zuhause habe ich Luvos gefressen. Das ist "Heilerde". Der Weg beschert mir noch einen toten Hund, ein Tschernobylreaktor und ein paar leerstehende Häuser. Hatten das Pech auf dem Gebiet des Reaktors zu stehen. Also ein bißchen Sicherheitsabstand muß auch, falls der Vulkan mal ausbricht.

Als ich Norbert heute morgen verlassen habe, hat er mich gewarnt, daß es im Süden schwerer werden würde. Mit dem betteln mag er recht haben. Aber die Früchte sind hier besser. Norbert meint, am besten käme man in der Stadt druch, doch dort findet man keine Gärten. Übrigens, ich habe nicht den Eindruck, daß ich etwas klaue. Die Spaniert warnen mich dauernd, daß ich die Früchte nicht essen sollte: nicht eßbar. Ich habe es definitiv nicht nötige zu betteln. Habe von einem Kaktus gegessen. Wasser könnte ich mir also eigentlich auch selber besorgen. War ein bißchen schleimig, aber vom Geschmack angenehm neutral.

Norbert fing sich an Kaffee zu machen und hörte Radio. Ach ja die CDU hat irgendwo in Deutsschland 10 % verloren. Habe eine kleine Theorie entwickelt. Früchte sind ja dazu da, damit sie von Tieren gefressen werden. Mit ihrer Scheiße setzen die Tiere die Kerne-Samen in einem vorteilhaften Scheißhaufen aus (muß jetzt kurz scheißen). Pflanzenfressende Tiere sind eine Art Gärtner. Das Konzept ist beidseitig so vorteilhaft, daß die Pflanzen auch unter den widrigsten Bedingungen versuchen nahrhafte Früchte zu produzieren und sogar, wenn man alle Pflanzenarten zusammennimmt, das ganze Jahr über, um sich ihre Säuger zu erhalten. Ich bin Übrigens kein Anhänger Lammarcks. Das Aktiv verwende ich aus erzählerischen Gründen und ist biologischer Unsinn. Auch für die Pflanzen macht es Sinn ihre Früchte zu unterschiedlichen Zeiten reifen zu lassen, denn so konkurrieren sie untereinander weder um die gleichen Standorte, noch um die gleichen Nährstoffe im Boden. Denn ich bin mir sicher: in jeder Phase ihres Wachstums benötigt die Pflanze unterschiedliche Stoffe. Ein Laubbaum bildet z.B. erstmal Blätter, bervor er Früchte produziert.

Mir sandets ins Gesicht und mach deswegen Schluß.

6.5.98 ^

Wunderschöner Morgen. Keine Wolken, starker Wind. Laufe abwechselnd durch wunderschöne Landschaft, leere Meeresbuchten, leere Sandstrände und toten Villen. Auch Spanier haben Geld. An einem Baum habe ich mich reichlich mit gelben Früchten eingedeckt und dann alle aufgegessen. Noch 4 km bis zur nächsten Bahnstation, wie mir Handwerker erklären. Die Villen sind alle alarmgesichert und die Rolläden unten. Unterwegs ein Schulbus mit vielleicht 8 Kindern. Diese Siedlungen sind lebendige Untote.

Der nächste Ort war L Amettla. Von dort mit dem Zug nach Amposta. Wieviel Kilometer ich gelaufen bin, weiß ich nicht.

Dierekt in Intercity nach Valencio gestiegen. Erstmal in die Toillette.

>> Gerade sitzt ein Polizist neben mir. Schreibt sich meine Addresse auf. Scheint so, als ob ich meine Eltern anrufen muß oder ins keine Ahnung. Würde das Gefängnis gern ausprobieren. Wenn die meine Eltern anrufen, ist mein Experiment beendet.<<

Habe mir das erste mal die Zähne geputzt. Sehen noch gut aus. Nachdem ich aus der Toillette rausgehe, kommt der Schaffner. Nächste raus meint er. Ich setze mich ins Abtei. Da tippt mir schon der der Polizist auf die Schulter. (Vinaroz?)

Als ich aussteige bin ich überrascht, daß der Polizist nicht mitaussteigt. Er zeigt mir noch mal mit den Händen drohend die Handschellengeste. Was hat er sich nochmal aufgeschrieben? Nur meinen Namen, auf einen kleinen schmierigen Zettel. Wird der mich in eine Datenbank füttern und das nächsste mal bin ich dran? Ha, ha.

Für heute habe ich eigentlich genug Kilometer gemacht. Ach, ich vergaß zu sagen. Die Villen werden zum Teil vermietet. Eine Schweizer (Autokennzeichen) Villa wirbt damit Villen zu bauen und zu vermieten (Werbung war auf deutsch). Da hab ich doch gleich mal geklingelt. ET nach Hause telefonieren. Stattdessen kriege ich 300 pts für die nächste Telefonzelle.

Habe ein schlechtes Gewissen, daß ich meine Eltern nicht angerufen habe. Aber es ist nun mal ein wichtiger Rückhalt. Auf der Autobahn kann ich keine Früchte sammeln. Bin an Peniscula vorbeigelaufen. Habe an einem Mülleimer zwei Mandarinen aufgelesen. Trotz grünen Außenschimmels vorzüglich. Man dar bei Früchten nicht die Abwehrkräfte der Schale unterschätzen. An der Stelle lag auch ein Datteln Büschel. Die schmeißen diese Delikatesse weg. An einer anderen Stelle ein verlassenes Haus. Die Orangen lagen haufenweise auf dem Boden. Zaun leider mit Stacheldraht. Irgendwo im Nichts ein Baum mit den gelben Früchten Das erste mal reife Kaktusfeigen gesehen.

Körperstatusbericht: Crista illiaca, der Beckenrand auf dem meine Tonne sitzt tzt gut weh. An den kleinen Zehen haben sich Blasen etabliert. Lass jetzt Sochen weg, damit mehr Platz. Einlagen mit dem Rasiermesser beschnitten (kleinen Zeh tiefergelegt). Mein Nachtplatz, ein altes zerfallendes Haus. Grundstück Gold wert. Deswegen verlassen. Den Spaniern gehört ihr Küstengebiet nur sehr bedingt. Ein Junge hat mich nach Joints gefragt. Schon viel ärmer hier. Habe Bauern, Fischer und Maurer arbeiten sehen. Mein ursprüngliches Diplomkonzept durch das Zeichnen zu leben ist eigentlich gescheitert. Es heißt jetzt eigentlich nur noch Überleben. Ist auch straighter. Der Umkehrschluß: Zeichnen kostet mich Geld.

Ach ja, meine Arschritze scheuert.

7.5.98 eine Woche. ^

Wolken sind aufgezogen. Bin in irgendeinen Nationalpartk gelaufen. Jede Gegend hat die potentielle Chance zum Park erklärt zu werden, wenn der Mensch sie nicht dierekt nutzen kann.

Finde jetzt natürlich keine Früchte mehr. Auch unter den Johannisbrotbäumen keine schwarzen, daß heißt süßen Früchte. Die Bauern pumpen Grundwasser zur Bewässerung. Klar, daß der sinkt. Heißt Sierra Wüste?

Immer wenn ich sitze und beginne nachzudenken, kommen Zweifel. Denken ist Gift. Gehen die beste Therapie. Das Problem ist dieses blöde Zeitlimit. Sonst gäbe es keinen Grund nicht den ganzen Weg zu laufen.

Habe auf einen Berg einen Strauch mit leckeren (neutral, nicht bitter oder eklig) Samenbänken gefunden. Das muß ich ebenfalls erwähnen. Probiere ständig am Wegesrand irgendwelche Blätter. Gestern habe ich das erste mal in meinem Leben eine Artscchocke roh gegessen. Das Herz war vorzüglich. Bin heute ziemlich viel zu Fuß gelaufen. Zuerst nach Las Fuentes. Unterwegs gab es kaum Häuser, keine Wasserstellen. War ein bißchen unheimlich. Auf dem Weg habe ich das erste mal aus einer Pfütze getrunken. War nicht übel. Das letzte Stück (3 km) hat mich ein Spanier mitgenommen. Von dort habe ich mich dann suckzessive zur Autobahn durchgeschlagen. Zur nächsten Raststätte waren es 15 Kilometer. Die ersten 4 habe ich geschaft. Dann sind die Bullen an meine Seite gefahren. Die haben mich netter Weise umsonst zur Raststätte gefahren. Jetzt war

>> Bin von zwei Herren gerufen worden. Trucker!<<

Den letzten unvollständigen Satz: Jetzt warten sie hinter mir und passen auf, daß ich nicht wieder auf die Autobahn laufe. Spanier nehmen einen nur in Notsituationen mit. Denkste! Die Bullen haben mit den Truckern gesprochen und meine Fahrt nach Valencia klargemacht. Denn das habe denen erzählt: "Hab einen Freund in Valencia". Jetzt sitze ich in einem Öltruck und reite nach Valencia...

8.5.98 ^

Habe an ner Tanke im Feld übernachtet. Die großen Transporter haben einen wunderbaren Aussichtsturm. Der Motor ist auch fantastisch leise. Der Boden war heute nacht sehr hart. Schlecht geschlafen. Der Trucker von gestern hat mir Kekse, Milchpaste, Käse und gezuckerte und gesalzene Nüsse geschenkt. Hab jetzt was zum weiterschenken.

Sitze jetzt schon wieder in einem Auto Richtung Villena Allicante. Haben festgestellt, daß meine Karte nichts taugt, viel zu alt (1981). Der Junge arbeitet anner Tanke. Kennt sich aus. Von Villen mit einem Techno-Jungen nach Sax. Von dort mit einem Elton John und Aids "Förderer" nach Elche. Jetzt sitze ich im Wagen von einem echten Hippie. Sein Bus ist voller Aufkleber, Jimmi, Rolling Stones, Beatles, Kakteen, indische Figuren. Seit 27 Jahren on the run mit dem Bus. Mit Rucksack wohl um einiges länger. Der Tankstellenjunge hat mir übrigens seine Autokarte geschenkt.

9.5.98 ^

Das wars. Bin gestern in Granada bei meinem Freund Gashi angekommen. Er trägt immer noch das silberne Amulett, daß ich vor Jahren geschenkt habe. Hat sich gefreut wie ein Bär. Habe heute Nacht eine blöde Krimigeschichte geträumt, Voller Symbole. Den Traum werde ich nie knacken. Habe dierekt meine Eltern angerufen. Lass mir auf Marcos Konto Geld überweisen. Werde jetzt zum echten Tourist. Reisepaß lass ich mir auch schicken - Zäune sind lächerlich. Sie halten nur die Leute ab, die nicht abgehalten zu werden brauchen- . Dieses Haus hat einen Fernseher und warmes Wasser mit Badewanne. Habe gestern geduscht. Auf der Terasse Aussicht auf Alhambra. Auf der Terasse mit Gashi geschlafen. Ist ein merkwürdiger Zustand, als ob man ein Resetknopf gedrückt hätte.

Hatte total vermockte Zähne. Alle haben sie mir auf die Wange geküßt in meinem dreckigen Zustand. Den ganzen Abend mit dreckigen Zähnen und gleichzeitig über Ernährung gesprochen. Kommt von Datteln und vielleicht Johannisbrot. Komisch kein Ziel mehr zu haben. Zeichnen kann man hier ohne Ende. Faszienierend, die Südküste ist komplett unter Plane. Darunter Obst und meist schwarze Arbeiter, Algerier, Marokkaner ...

Bannanenstauden, Avokado-, Cherimoya gesehen. 2 Bananen von Gashi gegessen, eine Wohltat. Wasser kommt heuer en Mass aus den Bergen. Bauen natürlich einen Staudamm. Bin gestern von der ersten Tanke zwischen Motril und Granada von einer Organisation für Süchtige mitgenommen worden. Drogenabhängige kommen dorthin und von dem Tag an dem sie ankommen kriegen sie nichts mehr, außer eine Beruhigungsmittel in den ersten 10. Tagen. Selteen eine so fröhliche Truppe, 6 Leute, getroffen. Haben mich nach Granada, zu ihren Zentrum gefahren, auf dem Weg ein Wasser ausgegeben, Orangen und Äpfel geschenkt und in das Zentrum von Granada gefahren.

Spüre stark das Bedürfniss schön, gut und sauber auszusehen. Ich will keine mißtrauschen Blicke mehr. Der warme (heiße) Empfang war eine Wohltat für mein Herz.

Der Rest meiner Route von gestern:

Mit dem Hippie zu einer Tanke hinter Almeira (über Murcia). Von dort mit einem Spanier den ich angequatscht habe (gehalten hätte der nie) bis westlich von Motril und ab hier zur nächsten Tanke. Zwischenzeitlich Stand ich ne Stunde mit ausgestreckten Daumen. Natürlich erfolglos. Vom Zentrum in Granada mit Umwegen zu Gashi.

Meine Reise kommt mir schon jetzt total unwirklich vor. Um mir Vögel, Gebell von Hunden, in der Ferne Motorgeräusche und um mich herum eine fantastische Aussicht. Dreck klebt immer noch an den Fingernägeln. Habe nur ein klein wenig an den Wangen abgenommen. Auf dem Weg zu Marco aggressiv von einem deutschen Bettler angebettelt worden. Alkohol korumpiert. Hab ihnen gezeigt und erzählt, wie wenig ich hab. Hat ihn nicht interessiert.

Hier gibt es nur Motive. Aber mit meinen Überleben, mit mir persönlich haben sie wenig zu tun. Das dierekte überleben läßt sich kaum festhalten. Das ganze muß jetzt indirekt kommen.

Habe gestern noch angefangen zu humpeln. Blasen, Muskeln und Gelenke. Das Ziel Granada hat mich wie eine Klammer zusammengehalten. Jetzt fall ich auseinander.

Habe auf der Reise einen riesen Respekt vor Früchten und Gemüsen bekommen. Aus was für einer trockenen, harten Erde diese Fülle kommt. Wie lange es dauert bis ein Baum wächst und eine Frucht reift. Wir Konsumenten kennen ihren wahren Wert nicht.

Auf dem Weg habe ich mir einen Nahrungssuchblick angewöhnt. Sehe die Farbe grün mit anderen Augen. Als ich eine Zeitschrift gesehen habe, wollte ich dierekt wieder lesen, ein Kinoplakat und ab in den sterilen Erlebnisraum.

Spucke viel echt gelben Schleim. Meine Lunge ist belegt. 300 pts. Hatte ich in Tempo Taschentüchern versteckt. Die letzten Kilometer habe ich das Rasiermesser mit dem ich die Kaktusfeigen abgeschnitten in meiner Hosentasche getragen. Relax, Relax ...

10.5.98 ^

Habe gestern für 50 DM Obst eingekauft und fast alles bis heute aufgefressen. Bin wieder wie eh und je der Völlerei ergeben. Ich bin ein treuer Sklave meiner Schwäche. Lese im Koran, habe eine Zeichnenhemmschwelle.

Gestern mit Marco zu einem Wasserfall gewandert. An Olivenbäumen vorbeigekommen, gegessen und gesammelt von trocken bis ganz frisch. Heute regnerisches Wetter, fast kalt. Lese im Koran faule und fresse rum.

11.5.98 ^

Meine ganze Reise ist eigentlich der Versuch tausend Probleme auf einmal zu lösen, deren Grund ein einziger ist, die verlorene Kindlichkeit. Es fehlt mir diese Freiheit, Leichtigkeit. Hätte ich mich durch meine Hand ernähren können, wäre ich mit einem Schlag unabhängig geworden. So war ich aber von Gärten und Felder abhängig und von meinem täglichen Marsch, ein rastloser Wanderer. Ich suche nach dem sicheren Spielplatz, an dem ich beruhigt meinen Panzer ablegen kann, um weiterzuspielen.

Irgendwann ^

Ich weiß gar nicht genaus das Datum. Habe mein verfluchtes Diplom ignoriert. Gestern "Lonesome Traveller" von Jack Kerouack gelesen. Vorher schon mal "On the road" von ihm gelesen. Vor 2 Tagen habe ich Bruce Chatwins "Traumpfade" gefressen.

1. Bruce Chatwin hat mehr drauf.

2. Beide sind relativ früh gestorben, haben dem Alkohol zugesprochen.

Jack hat den gleichen Stolz wie ich gespürt, als er mit fast nichts durch die Zivilisation kam. Er stellt fest, daß die goldene Zeit des Tramps vorbei ist. Bruce Chatwin berührt mich ganz nah. Während Jack "nur" eine heftige und sensible Reaktion auf seine Zeit ist, analysiert Bruce unser Leben in Bezug auf den Urtramp in uns. Er versteht, daß man zu den Anfängen des Menschseins zurückkehren muß, um sich urig, eins oder einfach glücklich zu fühlen. Bruce selbst bleibt Beobachter und springt nie wirklich ab, während Jack in den Zivilisationsdreck springt. Mein Verständniss ist für beide tief. Bruce hat mein Urbild des Menschen verkompliziert. Ich muß mich tiefer einlesen. Richtig Mensch sind wir in der Savanne geworden. Wandern war in diesen Wechselfruchtbaren Gebieten lebensnotwendig. Einen Menschenfresser hat es wahrscheinlich ebenso gegeben. Sprache als Gesang, ein mnemonisches Mittel, um Karten des Geländes anzufertigen, überlebensnotwendig.

Bin und schreibe auf einen Berg westlich von Alhambra. Am Anfang Nebel mit Sonne durchleuchtet, Schatten auf stufigen Hängen. Alleine, frische Luft, Vogelzwitschern, fernes Glockengeläut, grandios. Wäre man der Natur nie entfremdet worden, nichts außergewöhnliches.

 

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