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Rundgang 2014 an der KHM

Rückblick und Impressionen.
Eine utopische Kraft oder gar Aufgabe der Künste ist immer wieder beschworen worden. Die Forderung nach einem Neudenken der gesamten Lebensverhältnisse durch künstlerische Grenzüberschreitungen durchzieht das späte 19. und die ersten zwei Drittel des 20. Jahrhunderts. Sie wirkt bis heute nach.
Das ist leicht zu verstehen, weil der ‚Rest der Welt‘ auf Effizienz, Nutzen, Wachstum und Erfolg um jeden Preis getrimmt worden ist, Künste aber anderes zum Ziel haben. Sie tragen nichts zum Wahn der Akkumulation bei, sie möchten eher innehalten als wachsen, sind oft eher Sand als Öl im Getriebe der Wirklichkeit. Auch sind sie nicht geeignet, einen Beitrag zum Erkenntnisoder
gar Wissenschaftsfortschritt zu leisten, wie dies jüngst verstärkt die Sphäre der Politik fordert. Was ist im Zuge der Polemik der ‚Postmoderne‘ seit der Mitte
der 1970er Jahre mit den exzessiven Energien künstlerischer Transformation geschehen? Nehmen wir es positiv, wie der genaue Blick es auch zeigt. Nicht die Dimension des überlieferten Utopischen erscheint problematisch, sondern der qualitative Anspruch, dass im Zuge einer ‚dissonanten‘ Weltwirklichkeit ausgerechnet die Künste einen Blick auf ein harmonisches Ganzes oder gar synthetische Lösungen für seine Reparatur oder Befreiung unverstellt haben könnten. Was die Künste seitdem ausmacht, ist eine zugespitzte Selbstwahrnehmung und Selbstkritik.
Die Totalität ausgemalter Lebensentwürfe oder gar die abgeleitete Rezeptur einer durch utopisches Wissen umgestaltbaren Welt haben ausgedient. Sie sind ruiniert. Die Figur der Ruine und des Fragments aber stellen trotz ihres Rückbezugs
auf romantische Melancholie Befreiungen dar. Utopisch bleibt die Fähigkeit der Künste als eine Kritik genau solcher Totalitätsansprüche.

Die Künste greifen nicht mehr auf ein großes Ganzes. Sie sind im besten Sinne des-illusioniert, befreit von Täuschungen dieser Art. Künstler ist, wer sich mit Problemen beschäftigt, die anderen nicht ohne weiteres gegeben sind. Wer sich Probleme aus etwas macht, was andere gar nicht als Problem sehen, der hat gute Voraussetzungen dafür, sich dem schwierigen Abenteuer der künstlerischen Handlungsweisen zu widmen.
Das Freiheitsversprechen der Kunst besteht in nichts anderem als diesem Vorgehen eines Ausprobierens, wie durch selbstgemachte Problemwahrnehmungen die Welt reicher und komplexer werden kann. Das ist im besten Sinne dimensionslos, weil es für das Kleinste wie für das Größte gilt. Das Pathos der großen Emphase und Erzählungen hat ausgedient.

Bleibt das stetige Unterwegs-Sein als angemessene Betrachtung.
So wünschen wir den Besucherinnen und Besuchern des diesjährigen ‚Rundgangs‘ der KHM, dass sie von Fragment zu Fragment die Energie der Problemwahrnehmung mit sich nehmen können. Ohne Einmischung von Seiten der Rezeption wäre der Prozess unvollständig und bliebe stecken. Also begrüßen
wir kollegial die Rundgängerinnen und Rundgänger als aktive Teilhabende am Prozess des künstlerischen Experimentierens von Fall zu Fall, von Situation zu Situation.

Prof. Dr. Hans Ulrich Reck
Rektor der KHM
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