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Vorwort

Einleitung zur Filmreihe Best of KHM Movies im Sommersemester 2013 von Didi Danquart, Professor für Spielfilmregie und Prorektor
01.04.08
"Nur das Laute ist gleichzeitig; was leise und langsam wächst, wird gleichzeitig erst, wenn es explodiert.", schrieb Ludwig Marcuse in seiner autobiographischen Schrift "Mein zwanzigstes Jahrhundert".
Es gibt viele unterschiedliche Formen der Wirklichkeitsbeschreibung. Auch im Film. Der abgefilmte Realismus eines Geschehens oder gesehenen Geschehens, wurde in seiner montierten Summe (Schnitt) als "dokumentarischer Film" bezeichnet und entwickelte sich als gleichwertiges Pendant zu literarischen (Auto)Biographie oder Erzählung.
Die Geschichte des klassischen Dokumentarfilmes ist daher eine lange Geschichte der Reflexion und der Hermeneutik, der interpretativen Auslegung  der Bilder. In den 80er Jahren wurde öffentlich gestritten über den "authentischen vs synthetischen Dokumentarfilm",  über den "Arbeiterfilm" oder die "politische Montage". "Das Dokumentarische" wurde übersetzt als "das Authentische, das Wirkliche." Doch schon Serge Eisenstein brachte 1925 diesen immerwährenden Diskurs zwischen fiktionalem und dokumentarischem Film auf eine neue Ebene, indem er den Satz postulierte, dass "es in einem guten Film um die Wahrheit, nicht um die Wirklichkeit" gehe.
Also schon eine bedeutsame philosophische Kultur-Kategorie, um die da durch das 20. Jahrhundert hindurch gerungen wurde. Ebenfalls in den frühen 1920ern schrieb Béla Balázs an die (Bild)Regisseure: "Ihr schafft den Sinn, ihr braucht ihn nicht zu verstehen. Ihr müsst es in den Fingerspitzen haben, nicht im Kopf. Und dennoch, Freunde, es gehört zur Würde eines jeden Berufes, dass er seine Theorie hat … und die gute, die schöpferische Theorie ist keine Erfahrungswissenschaft und wäre vollkommen überflüssig, wenn sie warten müsste, bis die Kunst in allem vollendet vorhanden wäre. Theorie ist, wenn auch nicht das Steuerruder, so doch der Kompass einer Kunstentwicklung." In "Best of KHM" zeigen wir in diesem Semester vier herausragende und sehr eigene dokumentarische Arbeiten von AbsolventInnen im oben genannten Sinne und eine, meiner Meinung nach, neue szenischen Erzählform der Regisseurin und KHM-Abgängerin Lola Randl mit ihrem zweiten Spielfilm "Die Libelle und das Nashorn", der die Reihe auch eröffnet. Carolin Schmitz folgt mit SCHÖNHEIT, indem - frei nach dem Motto: "einfach kann ja jeder" -  das undenkbare Wahr wird. Dirk Schäfer zeigt in "Eine Art Liebe" in leisen Tönen, die tief beeindruckende Biographie des türkischen Kurden Nevzat:  "die Augenblicke, die noch kommen, sind länger als die, die schon vergangen sind." Luzia Schmid & Regina Schilling zeigen in "Geschlossene Gesellschaft – Missbrauch an der Odenwaldschule" die explodierte Gleichzeitigkeit von Zeit und (Da)Sein im metaphysischen Diskurs von Gesellschaft und Kirche. Der Film "Detlef – 60 Jahre schwul" von Stefan Westerwelle und Jan Rothstein schließt den dokumentarischen Reigen mit einer visuellen, autobiographischen Zeitreise durch die 80er Jahre der Schwulenbewegung und den Umgang mit der Einsamkeit des (homosexuellen) Alterns.
Alle Filme, das kann ich ihnen versprechen, sind Entdeckungen. Eher leise, aber erfrischend neugierig, was ihre klare stilistische Form betrifft und ihrer Suche nach einem neuen schöpferischen Theorieverständnis für das 21. Jahrhundert.
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